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Laudatio anlässlich
der Verleihung des Burgenländischen Landeskulturpreises für
Darstellende Kunst im November 2007
Peter Wagner - Autor, Theater- und Filmemacher
Nachdem sein erstes Theaterstück, „Die Mühle“,
1989 im Schauspielhaus Kiel uraufgeführt worden war, saß
der damals dreiunddreißigjährige Peter Wagner auf der
Rückreise im Zug und haderte schon wieder einmal mit Dramaturgie
und Regie – so wie das mehrere Male davor bei seinen insgesamt
12 Hörspielen der Fall gewesen war, die er zwischen dem achtzehnten
und siebenundzwanzigsten Lebensjahr geschrieben hatte. Es muss ihm
dabei wie einem Komponisten gegangen sein, der sein Werk noch vom
Akt des Komponierens her in einem idealen, also unberührten
Zustand kannte und nun hören musste, wie dasselbe Werk klingt,
wenn es von anderen in die Hand genommen und geformt wird.
Damals machte ihn diese vermeintliche Kindesabgabe verrückt.
Und von dort weg keimte auch der Entschluss in ihm, sich auf keine
Zusammenarbeit mit Dramaturgen und professionellen Produzenten einzulassen.
Als ihm Anfang der Neunzigerjahre über seinen Theaterverlag
eine Position als Hausautor am Frankfurter Schauspielhaus angeboten
wurde, lehnte er ab.
Schon in den Achtzigerjahren hatte er sich nach nur zwei Wochen
aus einem Vertrag mit dem Österreich-Ableger eines der weltgrößten
Plattenproduzenten selbst herausgeschossen. Dort wollte man einen
Gegen-Fendrich aufbauen, Peter Wagner aber wollte Peter Wagner sein.
Etwa dreißig Stücke und halb so viele Theaterinszenierungen
und noch einmal so viele Filme später denkt er darüber
nicht mehr nach. Er weiß natürlich, wie sehr es sich
bei allem Inszenieren - ganz im Gegensatz zum Schreiben - um den
Prozess mit anderen handelt, auch wenn in Summe die Autorität
des Regisseurs an oberster Stelle steht. Dennoch pocht er heute
wie damals auf die Freiheit seines künstlerischen Schaffensprozesses,
auch und gerade dort, wo es um das Zusammenwirken der verschiedensten
Kräfte geht. Er würde nie jemandem etwas auf der Bühne
abverlangen wollen, was er nicht leisten oder darstellen kann oder
will. Aber er würde sich dadurch auch nie sein Ergebnis verfälschen
lassen. Egal, ob es sich um die Inszenierung mit einer Darstellerin
oder einem Darsteller oder um das Arbeiten mit einer Hundertschaft
von Laien handelt, das Ergebnis darf für ihn kein Kompromiss
sein, es muss zu hundert Prozent seiner Vorstellung einer adäquaten
Bühnenumsetzung eines Stückes entsprechen.
Und dann das Burgenland, Peter Wagner und das Theatermachen im Burgenland!
Seine Fantasie vom Aufbau einer Theatermaschine im zunächst
unlogischen und paradoxen Terrain der Provinz, im Dschungel noch
nicht ausgetrampelter und ausasphaltierter Theaterpfade, wuchernd
und da im Heute, nicht im operettenhaften Vorgestern.
Da war dann plötzlich das OHO, die anarchische Spielwiese,
da und mit ihm der erste sich selbst gebärende Theaterraum
für zeitgenössisches Burgenlandtheater, also damals hauptsächlich
und fast ausschließlich Peter Wagner. Er meinte, in der damaligen
Euphorie des Aufbruchs, in dem das von ihm geschriebene und inszenierte,
so schöne wie böse Stück „Burgenland. Eine
Farce“ zu einem Publikumserfolg werden konnte, er meinte,
das könne jetzt dauerhaft was werden mit dem ganz eigenen,
eigen ausgeformten, eigen entwickelten und gedachten Grenzlandtheater,
dem fälligen emanzipierten Theater einer fälligerweise
emanzipierten Provinz.
Darin, sagt er heute, habe er sich geirrt. Die Provinz habe sich
emanzipiert, aber in einen reaktionären Theaterfestspielpomp
und eine kulturtouristische Einbahnstraße, in eine so biedere
wie penetrant risikolose Ästhetik und Gedanklichkeit hinein.
Nicht der Irrtum sei sein Scheitern, sagt er, sondern die Unfähigkeit,
den Kampf gegen die Vereinnahmung der Kunst durch die Eventhaie
mit wirksamen Mitteln führen zu können. Im Grunde, sagte
er, sei alle Energie, die in das andere Ende des Stranges investiert
wurde, wirkungslos geblieben.
Zeitweise hat er sich zurückgezogen: in den Film, den er hartnäckig
als frei und unabhängig und eigensinnig Produzierender bestreitet,
also mit den wenigsten Mitteln und jenseits auch nur irgendeines
Mainstreams, meist auch jenseits der Verkäuflichkeit. Das haben
die anderen besser drauf, sagt er, ich brauche einzig und alleine
die Schlüssigkeit zwischen mir und dem Material.
Sorgen, dass ihm das Material ausgeht, hat er nicht. Eher geht das
Geld aus, eher geht das Leben aus.
Die Zusammenarbeit mit Dramaturgen und Produzenten lehnt er noch
immer ab. Als ihm 2006 ein Treatment-Vertrag mit der größten
österreichischen Filmfirma angeboten wurde, warf er den Vertrag
nach dem ersten zweistündigen Gespräch mit den beiden
Chefdramaturgen und einem folgenden Scharmützel wegen der Vereinnahmung
der Rechte durch die Firma zurück.
Fery Tschank
Artikel über Peter Wagner (Auswahl)
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