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Theater für Fortgeschrittene
Peter Wagner sorgte mit seiner Inszenierung des Schauspiels „Süleyman
der Prächtige“ für angeregte Diskussionen.
Eines vorweg: Das Stück „Süleyman der Prächtige“ von
Autor Heinz Koller ist, in niedergeschriebener Version, kein leicht
zu verdauendes Werk für Sommertheater-Besucher. In zahlreichen
Handlungssträngen und auf vielen Schauplätzen entspinnt
sich ein in unterschiedlichen Zeiten angesiedeltes Historienspektakel,
an dem über 50 Akteure teilhaben. Das von Koller sehr dicht
angelegte, akribisch genau recherchierte Stück, handelt von
den Türkenbelagerungen von Güns und Güssing im 16.
Jahrhundert. Vor diesem Hintergrund ist eine Parallelhandlung angesiedelt:
der Raub der beiden Spielgefährten Anja und Josef, ihre jahrelang
getrennten Wege und schließlich ihr ergreifendes Zusammentreffen.
An der Schwierigkeit, dieses Spiel vor der Kulisse der Burgmauern
zu Güssing in Szene zu setzen und dabei die natürlichen
Gegebenheiten der „Naturbühne“ auszunutzen, scheiterte
bereits der Regisseur des Vorjahres, der Wiener Schauspieler Oliver
Ciontea.
Änderungen
Peter Wagner, im Jänner von der Intendanz als neuer Regisseur
präsentiert, konnte sich einen „Süleyman“ auf
der Burg nur mit einer geänderten, leicht vereinfachten Textfassung
vorstellen. Nach wochenlangen Arbeiten am Text wurde schließlichzu
Ostern mit den Proben für das diesjährige Burgspiel begonnen,
das nun den Untertitel „Das Patt der Köpfe“ trug.
Wagner erarbeitete das Stück unter dem Aspekt der Allgemeingültigkeit
herrschender Zustände. Nebensächlichkeiten, die im „Süleyman“ die
Handlung nur motivieren, wie Kriege, flüchtende Menschen, geschäftige
Unterhändler, werden im Wagner’schen Regiekonzept zu zentralen,
immer wiederkehrenden Themen. Sein Verdienst ist es auch, die zahlreichen
Handlungsstränge, die das Verständnis des Textes zusätzlich
erschweren, einigermaßen logisch und für den Zuseher nachvollziehbar
darzustellen. Die Figur des „Lunardo“ (gespielt von Josef
Naray) führt als eine außerhalb der Handlung stehende
Person durch das Stück. Anklänge an Brechts Episches Theater
finden sich auch dann, wenn ein Schauspieler plötzlich aus seiner
Rolle heraustritt und mit einem Hinweisschild die „Pause“ ankündigt.
Wenn das Handy zweimal läutet…
Besonders gespalten reagierte das Publikum auf die, of etwas radikal
gesetzten, modernen Anspielungen im Stück. Vor allem auf Zuseher,
die das vorjährige Schauspiel „Iwein der Mächtige“ sahen
und dessen solide, zwar symbolische aber auf neuzeitliche Anklänge
verzichtende Inszenierung goutierten, wirkten einige Stellen im „Süleyman“ befremdend.
So wurde das Publikum im ersten Akt (spielt im 16. Jhrhdt.) bereits
mit Klobesen, Popcorn und Luftballons bekannt gemacht und später
mit dem Läuten eines Mobiltelefons, Motorradgeräuschen
und Heurigenliedern aus der mittelalterlichen Ruhe gerissen.
… und der Chopper plötzlich aufheult
Im Sinne von Peter Wagners Philosophie, die Ebene der Handlung in
der damaligen Zeit spielen zu lassen, die Interpretation und das „Allgemeine“ des
Schauspiels in der heutigen Zeit anzusiedeln, können die Einsätze „moderner
Requisiten“ als durchaus gerechtfertigt betrachtet werden.
Doch anders überlegt: vom Text ausgehend, bietet das Stück
nur einen wirklichen Höhepunkt, wenn Aaron und seine Puppenspielergarde
am Ende in die Hände von Süleyman gelangen und unmittelbar
vom Tod bedroht sind. Ohne neuzeitliche Elemente würde das Schauspiel
im 16. Jahrhundert dahindümpeln und spätestens nach zweieinhalb
Stunden leise versiegen. Fahrräder, Motorrad, Flüchtlinge,
blutende Kinder mit Blechtrommeln, Soldatinnen und Handy lösen
beim Publikum hingegen einen Verwunderungseffekt aus. Das „Warum“ aus
den Reihen trägt auch zu einer intensiven Beschäftigung
mit dem Stück bei.
Situationskomik
Peter Wagner verstand es auch bravourös, im Text völlig
unbedeutende Gestalten mit subtiler Komik auszustatten, die die Schauspieler
dann auf der Bühne herrlich umzusetzen vermochten. Robert Koch
als Mönch und Kurt Dampf als mafioser Leibwächter kristallisierten
sich bald als Publikumslieblinge heraus. Jede Szene des Stücks
wurde von Wagner bis ins kleinste Detail choreographiert und vorgespielt.
Dadurch entstanden so umwerfend komische Szenen wie die Umarmung
der gesamten Festgesellschaft beim Wiedersehen Anjas mit ihrem Vater,
das Feilschen der Marktfrauen am Sonnwendmarkt oder die „Erstürmung“ von
Lunardos Taverne durch die Puppenspieler.
Kurt Resetarits, bekannt durch Kabarett und Theater, glänzte
in der Hauptrolle des Puppenspielers Aaron und zog als Schauspieler,
Sänger und Lautenspieler sämtliche Register. Peter Vadasz
als selbstverliebter aber gerechter Herrscher Süleyman und Eva
Stimpfl als selbstbewusste Anja gaben großartige Proben ihres
schauspielerischen Könnens.
Klaus Stöger, KUDLMUDL, 1995
Artikel über Peter Wagner (Auswahl)
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