|
 |
 |
Schicksalhafte Begegnung
Peter Wagner, Schriftsteller, in Litzelsdorf: „Anscheinend
hab‘ ich für einige den Ruf als Hofnarr.“
VON THOMAS
JORDA
Der fünfzigste Geburtstag, den Peter Wagner in dieser Woche
feiert, ist für viele Gelegenheit und Zeitpunkt zurückzuschauen.
Der Schriftsteller mit dem charakteristischen schwarzen Hut sieht
das abgeklärt. „Für mich ist der dreißigste
Geburtstag das heiklere Ereignis gewesen. Künstlerisch hab‘
ich schon sehr früh sehr viel erreicht. Da bin ich natürlich
an den Dreißiger mit einer gewissen Erwartung herangegangen:
Was wird sich davon erfüllen und was nicht? Jetzt aber muss
ich mir diesbezüglich nichts mehr beweisen.“Gleich in
vier Länder verkauft
Tatsächlich hat Wagner früh Erfolge gefeiert, sein erstes
Hörspiel mit schon achtzehn Jahren geschrieben und gleich in
vier Länder verkauft. Neun Hörspiele später und mit
dreiundzwanzig Jahren hatte er bereits die erste Schaffenskrise.
„Ich hab‘ als riesige literarische Hoffnung gegolten,
mein Vektor ist immer nach vorne gerichtet gewesen. Ich war mir
sicher, dass es funktioniert. Aber der Sprung von zu Hause weg,
hin zu einem freiberuflichen Schriftsteller ist sehr schwer gewesen.
Da sind erste Dämpfer gekommen, die Jahre waren von aggressiven
Selbstzweifeln geprägt, außerdem hab‘ ich mich
zusätzlich der Musik zugewandt.“Jein lautet die ehrliche
Antwort

Und heute, mit fünfzig, wie beurteilt er da sein Leben und
sein Schaffen? Ist er den eigenen Erwartungen gerecht geworden?
„Jein“, sagt Peter Wagner, „die ehrliche Antwort
lautet Jein. Erst hat es sehr gut ausgeschaut. Mein Stück ,Lafnitz‘
ist im Volkstheater in Wien aufgeführt worden und ich hab‘
eine sehr gute Besprechung in der Frankfurter Allgemeinen gehabt.
Bald hat es so ausgeschaut, als würd‘ jedes zweite Theater
in Deutschland Peter Wagner spielen. Aber dem war nicht so, da sind
mir die Stücke von Werner Schwab dazwischengekommen, und ich
hab‘ mich einfach selbst zu wenig gefeaturt.“
Ihm sei es ganz wichtig gewesen, unter reellen Menschen zu leben,
hier im Burgenland, „statt in künstlichen Theaterlandschaften
in Österreich und Deutschland dauernd in der Kantine zu hocken.“
Dass ihm die ganz große Karriere wohl dadurch verwehrt worden
ist, „das betrübt mich natürlich einerseits. Auf
der anderen Seite wollte ich das Spiel eben nicht mitspielen.“Kunstdschungel
Burgenland
„Früher“, meint Wagner, der Mitbegründer des
Offenen Hauses Oberwart (OHO) ist, „früher war das Burgenland
für die Künstler wie ein Dschungel, durch den man sich
mit der Machete kämpfen musste, das war sehr spannend. Heute
hat sich da eine Schickimicki-Atmosphäre entwickelt, die Kunst
liegt im Zeitgeist, ist stumpf geworden und ein Behübschungsobjekt.“
Damit will Peter Wagner aber ganz sicher nichts zu tun haben, trotz
aller Probleme.
„Ich habe im Burgenland zwar einen Namen, aber trotzdem Schwierigkeiten,
überleben zu können. Aber ich bin froh, keinen Produzenten
hinter mir zu haben. Denn unabhängig produzieren zu können,
das ist mein eigentliches Kapital.“ Peter Wagner ist ein Grenzgänger,
durchaus auch im wörtlichen Sinn.
„Die Grenze, der Eiserne Vorhang, das ist das zentrale Thema
meines Lebens. Ich bin schon als Jugendlicher immer mit dem Moped
hingefahren, um ins Fremde hinüberzuschauen, in den real existierenden
Sozialismus. Du siehst und spürst nicht, dass dieses Land jenseits
der Grenze anders ist, aber du weißt es! Das Paradoxon hat
mich immer angezogen: Warum das Drüben dort, das vermeintlich
Gleiche, doch anders ist.“
Zerstörung und Selbstzerstörung
Schicksalshaft war seine Begegnung mit dem Roma Purdi Pista, dessen
Faszination er nicht entgehen konnte. „Er war ein versoffener
Cymbal-Spieler und der warmherzigste Mensch. ,Auschwitz ist die
Hauptstadt von Welt‘, hat er mir gesagt, und mit fünfzehn
Jahren ist meine gutbürgerliche Erziehung zusammengebrochen,
nichts mehr war wie früher.“ Die Folge: eine gefährliche,
unglückliche Pubertät „zwischen Zerstörung
und Selbstzerstörung, aber ich habe viel Material für
meine Literatur gesammelt“. Sein berühmtester Song, „Waaßt
du, wo Auschwitz liegt“, ist direkte Frucht dieser Begegnung.
Eben erst hat er ihn in Wien gesungen, zum ersten Mal mit einer
Band.
Trotzdem solle man nicht glauben, er würde nur zurückblicken.
„Mit fünfzig bin ich in einem Alter, wo noch nichts vergeben
ist. Ich habe das Gefühl, dass etwas ganz Wichtiges noch ansteht.“
BVZ 8.6.06
Artikel über Peter Wagner (Auswahl)
|
 |
 |
 |
|
  |