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Oberwart.
Mon amour.
von Peter Wagner
Uraufführung: 13. April 1997, Offenes Haus Oberwart, April:
Theater m.b.H. Wien (Co-Produktion)
Besetzung: Margot: Johanna Tomek;
Wanz: Gregor Seberg;
Bühne: Wolfgang Horvath; Licht: Alfred Masal; Kostüm:
Werner Schönolt; Maske: Ulli Koppe; Regieassistenz: Andrea Slana;
Produktionsassistenz: Michi Ifkovits; Bauleitung: Gebhart Hollenstein;
Produktionsleitung Theater m.b.H.: Beate Schneider; Produktionsleitung
OHO: Horst Horvath;
Regie: Wilhelm Pellert
Zum Stück
Die in Oberwart aufgewachsene, nunmehr bereits 50jährige Margot
kehrt nach 25jähriger Abwesenheit am 4. Feber 1995 in die Stadt
ihrer Kindheit und Jugend zurück, um den sterbenden Vater noch
einmal zu sehen. Die Konflikte mit der Mutter lassen sie jedoch noch
am selben Tag ein weiteres Mal vor der Stadt, die sie einst durch
einen Eklat provoziert hatte, davonlaufen.
Wir sehen sie am Oberwarter
Bahnhof zur mitternächtlichen Stunde über
sich und ihr Verhältnis zu ihrer Vergangenheit räsonieren,
nachdem sie den letzten Zug versäumt hat, aber ein Zurückkehren
in die elterliche Wohnung für sie ausgeschlossen ist. Dabei
kommt es in der Person des mehrmals vorbestraften arbeitslosen Wanz
zum Aufeinanderprallen zweier konträrer sozialer und gesellschaftlicher
Welten, das seinen Höhepunkt in einem sexuellen Akt auf der
Bahnhoftoilette findet. Ähnlich wie in dem Film „Hiroshima
mon amour“ bleibt es bei der Vision der Liebe unter dem Aspekt
ständiger Demütigung und Selbstbeschädigung. In den
kurzen Augenblick vermeintlicher Nähe detoniert die Bombe von
Oberwart hinein, die von den beiden Protagonisten als Knallkörper
am Ende der zu dieser Zeit stattfindenden Lasershow gedeutet wird.
Die Trennung der beiden ist dann nichts weiter als der lapidar vollzogene
Abschluss einer Begegnung vor dem Hintergrund kleinbürgerlicher
Identitätslosigkeit.

Zwei beschädigte Menschen in nächtlichem Bahnhof
Im „Theater
m.b.H.“ versucht das Stück „Oberwart.
Mon amour“ des burgenländischen Autors Peter Wagner
jenes geistige Umfeld auszuloten, das den Boden für die Morde
von Oberwart bereitete.
... Peter Wagner verzichtet in „Oberwart. Mon amour“ auf
alles Plakative und Vordergründige. In Assoziation zu Marguerite
Duras´ legendärem Film „Hiroshima. Mon Amour“ nähert
er sich dem Grauen über eine flüchtige Liebesbeziehung
zweier Menschen an.
Hiroshima ist ein Synonym für Zerstörung. Oberwart ist
es auch.
Die beiden Menschen, die sich in Wilhelm Pellerts ganz auf die sprachliche
Ausdruckskraft des Textes verlassenden Inszenierung am kahlen nächtlichen
Bahnhof von Oberwart (Bühne: Wolfgang Horwath) treffen, sind
Beschädigte, einsam, beide aus dem Raster der sogenannten kleinbürgerlichen „Wohlanständigkeit“ herausgefallen.
Annermarie Klinger, NEUE ZEIT
Oberwart ist überall
... Um den Ort ist es inzwischen still geworden in den Nachrichten.
Im Theater, in der Literatur aber ist er zu einer Art Metapher avanciert.
Oberwart steht dafür, dass etwas faul ist im Staate Österreich.
Oberwart ist überall.
Peter Wagner macht sich auf den Weg unter
die Haut, in die Psyche. Er schreibt nicht über Fremdenhass, sondern über das Fremde
in uns selbst, das womöglich zu ersterem führt.
Karin Cerny, SALZBURGER NACHRICHTEN

Tatschauplatz Oberwart, eine Theaterkulisse
Der Autor hat dabei allen Versuchungen des Plakativen klug widerstanden. Ähnlich
wie der legendäre Film „Hiroshima. Mon Amour“ nähert
sich Wagner dem Grauen über die seltsame Liebesgeschichte zweier
Verlorener, die sich zur Psychopathologie des Umfelds ausweitet.
Lothar Lohs, DER STANDARD
Ein – im besten Sinne – bescheidenes Drama: Keine großen
Gesten oder Bekundungen zur traurigen Geschichte des burgenländischen
Nestes, dafür eine – vom Film „Hiroshima. Mon amour“ inspirierte – betont
einfache Geschichte einer Frau und eines Mannes spätnachts auf
dem Bahnstein. Johanna Tomek spielt die der bürgerlichen Enge
abtrünnig gewordene Margot harsch-keifend und verbittert, Gregor
Seberg einen bekennenden Proleten.
Best, DIE PRESSE

Von den Stigmatisierten
Dass die einsame Frau sich zu einer schnellen Nummer mit ihm bereit
findet, macht die Begegnung der beiden theatralischer als es nötig
ist, es wäre, dank Wagners Fähigkeit, mit Sprache Charaktere
zu transportieren, auch ohne diesen Effekt ein starker Theaterabend
geworden.
Wilhelm Pellert, Wagners Autorenkollege, hat ihn inszeniert,
er gehört Johanna Tomek allein, die schon lange nicht eine so starke
Gelegenheit gefunden hat, ihre eminente darstellerische Potenz zu
entfalten. Da bleiben für Gregor Seberg nur die Stichworte,
deren er sich allerdings klug entledigt.
Viel Erfolg für ein Stück österreichischer
Gegenwartsbefindlichkeit.
Renate Wagner, NEUES VOLKSBLATT
Ein Spiel von Einsamkeit und Hass
Das stimmige Bühnenbild von Wolfgang Horvath, die akzentuierten
Kostüme von Werner Schönolt, die unterstreichende Lichtgestaltung
von Herbert Baireder und die hervorragenden Schauspieler Johanna
Tomek und Gregor Seberg garantieren einen Theaterabend von höchstem
Niveau. Tomek und Seberg sind von einer Präsenz, einer Dichte
der Emotionen, einer Kraft der zeitweise hervorbrechenden Gefühle,
dass es einem fast den Atem nimmt. Voll Spannung, voll Mitleid und
Abscheu zugleich, beobachtet man eineinhalb Stunden lang zwei Menschen,
welche die Welt zugrunde richten, die zuvor sie zugrunde gerichtet
hat.
Lona Chernel, WIENER ZEITUNG
MODERATOR: Indirekt vergleicht also Peter Wagner die Bombe von Hiroshima,
die 1945 die Welt entscheidend verändert hat, mit der Bombe
von Oberwart im Jahr 1995.
PETER WAGNER (O-Ton): Der Impuls der Tat
war der gleiche. Insofern ist für mich die Brücke zu Hiroshima, so unerlaubt sie
sein mag, dennoch sehr virulent und bedeutsam: eine Tat systematisch
zu planen und sie durchzuführen. Gewiss gibt es Unterschiede
in der Infamie. Man weiß, dass Hiroshima aus einer Kriegssituation
heraus entstanden ist. Aber für die Leute, die die Bombe von
Oberwart gelegt haben, war oder ist unsere heutige gesellschaftliche
Gegenwart ebenfalls Krieg. Ein Krieg, den sie selbst produzieren
und entfachen möchten. Das ist im Prinzip auch die Quintessenz
des Terrorismus.
Günter Unger, IM RAMPENLICHT
Stücke Peter Wagner
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