Monolog
mit einem Schatten. Eine Windoper.
Musik: Wolfgang R. Kubizek
Buch und Idee: Peter Wagner
Uraufführung: 15. März 1996 im Konzerthaus, Wien – weitere
Vorstellungen im Offenen Haus Oberwart
Ratte: Dominik Glaubitz; Skarabäus: Sibylle Kos;
Goldberg Ensemble; Dirigent: Christoph Cech; Bühne: Wolfgang Horwath;
Licht: Alfred Masal; Produktionsleitung: Horst Horvath;
Regie: Michael Sturminger


Am 4. Feber 1995 werden vier Mitglieder der Zigeunerkolonie im burgenländischen
Oberwart bei einer Bombenexplosion mit offensichtlich rechtsextremistischem
Hintergrund ermordet. Peter Wagners „Monolog mit einem Schatten“ entstand
vorher und ist folglich keine Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen.
Trotzdem: Die vom Offenen Haus Oberwart produzierte „Windoper“ trägt
die Male jenes 4. Februars – auch sie zeigt einen Aspekt des HÖRGÄNGE-Themas „Ausländer
in Österreich“.
Peter Wagner erzählt von einem in Birkenau ermordeten Zigeuner, der
nach seinem Tod – zur Ratte mutiert – in einem Kellerloch haust.
Nur der Wind stört sein Dasein: Bei starkem Wind packt ihn ein Fieber,
das ihn zwingt, Passanten auf der Straße anzufallen. Eines Tages findet
er in seinem Keller einen Gehängten: Es ist Gott. Alsbald beginnt die
Ratte, gemeinsam mit einem Skarabäus, der in seinem früheren Leben
die Geliebte des Zigeuners war, Gott zu verspeisen – aus Rache. Übrig
aber bleibt eine tiefe, untilgbare Trauer ...
KONZERTHAUS NACHRICHTEN, März 1996


Zur Inszenierung
Mit ihrer Windoper wagen sich Wolfgang R. Kubizek und Peter Wagner in den
Bereich zwischen den klassischen Gattungen der Oper und des Schauspiels.
Obwohl das Stück in seiner durchkomponierten Partitur den Sprechtext überwiegend
rhythmisiert und die Schauspieler auf diese Weise zu Mitgliedern des Orchesters
macht, schöpft es alle Möglichkeiten der Konfrontation von Stimme
und Musik aus.
Für die Inszenierung ist die Musik der erste und wichtigste Anhaltspunkt.
Die Musik fügt dem Text die erste Interpretation hinzu, sie gliedert
ihn, sie ist der erste Dramaturg. Doch wie die Musik dem Text nicht sklavisch
folgt, ihn nicht bloß zu illustrieren versucht, wird die Inszenierung
Musik und Text manchmal in großer Nähe, dann wieder in einer kontrastierenden
Distanz begleiten.
Es gibt Anweisungen des Autors, die ich nicht wörtlich, vielmehr assoziativ übersetzen
möchte. Eine konkrete Realisierung von fast abstrakten Bildern erscheint
mir als Verkleinerung und Banalisierung.
Die beiden Protagonisten werden nicht durch ihre Kostüme oder Bewegungen
als Ratte bzw. Skarabäus zu erkennen sein, das Wesen dieser Tiere wird
zur Basis ihrer Charaktere. Die Bühne wird nicht ein Gesicht Gottes
darstellen, Wind wird sichtbar nichts bewegen. „Offene“ Entsprechungen
müssen gefunden werden.
Um die Vergangenheit der Protagonisten in die Handlung aufnehmen zu können,
möchte ich mit Hilfe von Projektionen schnelle, klare Ortsveränderungen
und Zeitsprünge machen. Auf diese Art hat man die Möglichkeit auf
vielen Ebenen zu erzählen und die Einheit von Zeit und Raum, die das
Stück vorgibt, immer wieder in Zwischenebenen zu brechen. Etwa:
Ein immer wiederkehrender Block von in Stille projezierten Karteikarten
der Namen und Gesichter von in KZ´s ermordeten Menschen, Gesichter
mit Namen und Adresse. Geburtsdaten und Unterschriften lassen hinter anonymen
Millionenzahlen Personen mit ihrem Schicksal hervortreten.
Eine stumme Szenenfolge eines unverfänglich netten Herren, der mit
einer Bastelarbeit beschäftigt ist. Sein Sohn begutachtet seine Bastelei,
Freunde sparen nicht mit anerkennenden Gesten, seine Tochter bringt Bier.
Das Ergebnis bringt der Briefträger: Eine Detonation aus der Vergangenheit – ins
Heute.
Wir werden über solche Mittel nachdenken, vielleicht verwerfen, vielleicht
durch andere ersetzen. Die Inszenierung soll das Stück jedoch nicht
einfach herunterspulen, sie soll es in einen Kontext stellen, der den phantasie-
und humorvoll absurden Grundton immer wieder deutlich anklingen lässt.
Michael Sturminger, Regie


Fremd ist der Fremde nur in der Fremde
Hörgänge Festival im Wiener
Konzerthaus
... Umso positiver war die Überraschung durch die auf die Tragödie
von Oberwart bezugnehmende „Windoper – Monolog mit einem Schatten“.
Peter Wagners Text (von Dominik Glaubitz kongenial dargestellt) ist eine
zynische Farce im Stile George Taboris – und wie bei dem Altmeister
des Theaters verzeiht man kurze moralisierende Passagen gerne, weil sie vom
makabren Witz des Stückes gleichsam gedeckt sind. Klug verzichtet Wolfgang
Kubizeks Musik auf jede plakative Illustration; sie nimmt einen nahezu eigenständigen
Verlauf und lenkt so die Aufmerksamkeit umso wirkungsvoller auf den Text.
Stefan Jena, ÖSTERREICHISCHE MUSIKZEITSCHRIFT, Nr. 5/1996

Stücke Peter Wagner
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