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Die Erziehung des Kleinen
Soldaten zum Schlächter:
"Das Maul und der Haufen
oder Geburt und Schicksal
des Kleinen Soldaten"

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Das Maul und der Haufen
oder Geburt und Schicksal des Kleinen Soldaten

von Peter Wagner

 

Uraufführung am: 9. Oktober 1993
Gastspiel: Szene Bunte Wähne, Oktober 1994

Besetzung: Spielmeister 1: Daniela Graf; Spielmeister 2: Jan Sokol; der Kleine Soldat: Georg Kusztrich
Masken: der Krieg, der Hass, die Rache, die Gerechtigkeit, das Geschäft, die Unterhaltung, die Macht, der Tod,

Bühne: Andreas Lehner, Musik: Hans Sokol, Maske: Doris Deixler, Kostüm: Christine Schöffler, Licht: Alfred Masal, Produktionsleitung: Horst Horvath, Regieassistenz: Daniel Chaloupka.

Inszenierung: Peter Wagner

Gastspiel: Szene Bunte Wähne, Oktober 1994

 


 

 

 

Sehen wir das Spiel einmal so:

Zwei Wesen aus den Urzeiten unserer Erinnerung (Spielmeister 1 und 2, zusammen "Der Chor") erwachen aus dem bösen Traum. Um das Entsetzliche loszuwerden, verhöhnen sie die Fratze dessen, was sie soeben im bunten Dunkel ihres Schlafes gesehen hatten: den Krieg. Der Übermut verleiht ihrem Spiel Flügel, statt es bei der verbalen Verhöhnung zu belassen, setzt sich einer der beiden die Maske des Krieges auf und erschafft sich das, was er im Traum selbst gewesen sein mag: eine lebende Puppe, den Kleinen Soldaten, das Opfer unter den Fingern der eigenen Täterschaft: Der „Hass“ schüttet seinen eiterdicken Ekel über ihn aus; die „Rache“ nähert sich ihm mit dem Beuteinstinkt der Schlange und pflügt mit ihm das Feld der - biblischen – „Vergeltung“ vermeintlich erlittenen Unrechts; die „Gerechtigkeit“ erweist sich als Monolith der Selbstgerechtigkeit; das „Geschäft“ lullt ihn mit großmütterlicher Fürsorglichkeit; die „Unterhaltung“ ist gelangweiltes Model der Erwartungen an das Außerordentliche, das stets in der Ordnung, sprich: im ganz gewöhnlichen Wahnsinn bleibt; die „Macht“, die Hure, ist nichts als überzeugendes und überzeugtes Handwerk ihrer eigenen Interessen, bis der Kleine Soldat schließlich bereit ist, die halbe Welt auszurotten; und einzig der „Tod“ bleibt warm in diesem Spiel, denn so nahe wie er war keine der anderen Masken unserer selbst, so nah wie er wird keine andere jemals sein.

Der Krieg hat sein neues Opfer gefunden. Da fragt nun dieses verstümmelte Wesen, das vom Kleinen Soldaten übrig geblieben ist,  nach seinem Leben, und die beiden meisterlichen Spieler, die dieses Spiel eingefädelt hatten, können oder wollen keine rechte Antwort geben, all die Fragen aus dem Mund eines Bewegungslosen sind nur noch lästig, sie selbst wollen vom Krieg nichts mehr wissen, die Bühne will wieder aufgeräumt werden, das Hurrah des Gemetzels wird wahrscheinlich ins Hurrah des Wirtschaftswunders übergehen. Am Ende legt man das Tuch des Schweigens über den Krüppel: der Schrei nach Leben ist jedenfalls schon wieder eine neue Geschichte unter den vielen Geschichten der Welt ...

Geht hin und seht. Vielleicht seht Ihr noch anderes.

p.s.: Wir widmen diesen Versuch den ehemaligen, den jetzigen und den künftigen Kriegern. Unser Kleiner Soldat hat in Wahrheit kein Alter.

Peter Wagner

 

 

Der kleine Soldat ist die leidgeprüfte Hauptfigur im neuesten Bühnenstück des burgenländischen Autors Peter Wagner. Gestern hatte das Stück im Offenen Haus Oberwart Premiere. Diese Theaterproduktion ist neben sechs weiteren Ereignissen ein Beitrag des Offenen Hauses Oberwart zur „Friedenskultur“ im Herbst.

Sprecher: Auch die jüngste Theaterproduktion im Offenen Haus Oberwart, einem alternativen Kultur- und Aktionszentrum, wird im Team geleistet. Dennoch: Peter Wagner, Autor und Regisseur des Stückes, ist jedenfalls der Erste unter Gleichen in diesem Ensemble.

Spielmeister 1 (O-Ton): Und als der Krieg ins fünfte Jahr ging, ins sechste, ins siebente, da machte sich ein großes Unbehagen ins seinen Gedärmen breit ...

Sprecher: Sein Stück mit dem etwas barock-bombastischen Titel „Das Maul und der Haufen  oder Geburt und Schicksal des Kleinen Soldaten“  ist eine Allegorie im Zusammenhang mit Ereignissen und Erscheinungen, wie sie jede kriegerische Auseinandersetzung mit sich bringt. Personifiziert treten sowohl der Krieg selbst als auch der ihn begleitende Hass, die Macht, das Geld und die oft kriegslüsterne Unterhaltungsindustrie auf.

Spielmeister 1 (O-Ton): Das Kind des Krieges.

Der Kleine Soldat (O-Ton): So bin ich also der Kleine Soldat. Doch sag: wer bist du, der du mich an diesen Fäden hältst und meine Bewegungen lenkst?

Spielmeister 1 (O-Ton): Ich bin dein Vater, der Krieg, der Herrscher über dieses Land.

Die Gerechtigkeit (O-Ton): Denn Gott ist gerecht und groß ....

Sprecher: Wichtige Mitarbeiter Peter Wagners in dieser Inszenierung sind Doris Deixler, die Kostüme und Maske, und Andreas Lehner, der das Bühnenbild geschaffen hat. „Der Krieg ist der Vater aller Dinge.“ An diesem aus der Antike überlieferten Stehsatz kommt auch Peter Wagner bei seinem „Stück für Menschen jeglichen Alters“ nicht vorbei.

Peter Wagner (O-Ton): Ich wollte ein Mysterienspiel über den Krieg schreiben. Nicht als tagesaktuelles Spiel, also als Bezugnahme auf die Gräuel der Gegenwart in den Kriegen rund um uns, sondern als ein Generalthema der Menschheit.

SPRECHER: Die Produktion „Das Maul und der Haufen oder Geburt und Schicksal des Kleinen Soldaten“ ist der Anfang eines insgesamt siebenteiligen Projektes im OHO unter dem Titel „Tanz im Spinnennetz“, dessen fulminanter Schlussteil ein Oratorium des heute im Südburgenland lebenden Dichters Kemal Mahmutefendic sein soll.

SPIELMEISTER 1+2 (O-Ton): Und es kam der Tag, da gab es nichts mehr zu töten, denn die Erde war leer wie sein Blick.

Günter Unger, ORF-Burgenland Fernsehen

 

 

"Das Maul und der Haufen" - die Geschichte vom Kleinen Soldaten, der an die Fäden des Krieges gebunden ist, von ihm erzogen wurde, begeistert ist und tatenfreudig. Immer schon wurden die Heranwachsenden von morgen herangezogen. Besonders die Wirtschaft versucht, ihre Kunden zu erreichen, und Wirtschaft und Krieg waren in allen Zeiten gute Partner. Der Kleine Soldat kommt aber durch, sieht gewissermaßen dem Krieg in die Karten, erkennt zum Teil dessen Träume, in denen auch keine Waffen mehr verkauft werden (müssen). Prinzip Hoffnung. Großartige schauspielerische Leistungen transportierten dieses. Der Schritt in dieses unwirkliche Prinzip gelingt.

GESCHRIEBENSTEIN, Febermärz 94

 

 

Eigentlich gab es im gesamten Stück keinerlei Prinzip Hoffnung. Der Visionär kann offenbar nichts anderes sehen als diese kalte, nackte und entsetzliche Vernichtung, der der Lemming als Einzelner und als Art bewusst (oder doch nicht?) bedingungslos zu folgen weiß. Die Zukunft ist wie der Schluss-Vorhang, den es im OHO bei der Premiere gar nicht gegeben hat. Man kann sich nicht festlegen, weder als Macher noch als Kritiker, ob man sich bemüht, dieser doch das Prinzip Hoffnung einzuhauchen – oder ob man sich mit der Wirklicht, so wie sie ist, „anfreunden“ kann. Für den Kritiker kann und muss gesagt werden: Er kann sich der bedingungslosen Zerstörung und deren Darstellung nicht ausschließen, auch wenn sie noch so eindrucksvoll und gut dargestellt wird. Dieses Kompliment gilt dem ganzen Team der Friedenskultur II: Für die lückenlose Darstellung des Lebens, wie es ist.

Die möglichen Antworten auf eine mögliche Veränderung einer unmöglichen Zukunft kann und darf nur die Apokalypse sein – oder Gott? Oder wer oder was auch immer. Oder doch nicht? Der Krieg ist ein Teil unserer Seele, so viel ist auf jeden Fall klar. Und das Buffet nach der Premiere wollte nicht so ganz schmecken.

BVZ

 


 

Stücke Peter Wagner

 

 

Inszenierung „Das Maul und der Haufen“
Textauszug „Das Maul und der Haufen“

Alle Rechte für das Stückmanuskript seit 2004 wieder beim Autor.

 
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