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Paganinis Kinder: Paganinis Finger
LP, Extraplatte 49
(vergriffen)
Texte: Peter Wagner
Musik: Christoph Cech, Wolfgang R. Kubizek,
Christian Mühlbacher,
Jan Sokol
Christoph Cech – key; Christian Mühlbacher – dr;
Wolfgang R. Kubizek – vio; Jan Sokol – guit; Peter
Wagner – voc; guest: Sascha Otto - as
Tontechnik: Joe Schneider;
Sica-Sound-Studio Oberschützen
1986.
Cover: Max Milo
Auf verlorenem Vorposten
Ein hinkender Vergleich zwischen Ambros
und „Paganinis Kinder“
Über zehntausend Menschen zwischen 14 und 40, das Konzert
wird eingeklatscht wie die Rapid-Viertelstunde, die 34 Kerzen auf
der riesigen Geburtstagstorte finden immer wieder zigfachen Widerschein
bei den Feuerzeugen der Zuschauer, schon beim zweiten Lied stimmt
das Publikum spontan „Happy Birthday“ an – wer
das Geburtstagskonzert vom „Wolferl“ in der ausverkauften
Stadthalle erlebt hat, weiß was Stimmung sein kann.
Dabei ist der Erfolg von Wolfgang Ambros schwer zu erklären.
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Ambros sich durch
Vorkämpfertum für Dialektsongs und lange Tätigkeit
im Musikbusiness Lorbeeren verdient hat, vielleicht damit, dass
er auch seine – durchaus nicht spärlich gesäten – emotional-kritischen
Texte mit Hilfe der recht simplen Musik immer noch „rüberbringt“.
Sicher spielt jedenfalls eine Rolle, dass seine Texte immer ehrlich
und persönlich sind und doch reichlich Raum für Identifikation
bieten.
An den außergewöhnlichen Fälligkeiten des Interpreten
kann es nicht liegen. Er hat weder eine exzellente Stimme noch
ist er eine umwerfende Gestalt auf der Bühne. Seine Texte
sind – auch wenn er immer wieder großartige Lieder
produziert hat – von mitunter banaler Strickart und seinen
Melodien kommen oft über einfachen Rockschemata nicht hinaus.
Dennoch wird er geliebt (die deutschen BAP machen ja ähnlich
unerklärlich Furore) – er ist eben „der“ Ambros.
Es ist deshalb sicher nicht fair, mit diesem Phänomen eine österreichische
Gruppe zu vergleiche, die seit einigen Jahren, von der Austro-Pop-Szene
ebenso wie von der „Avantgarde“-Szene weitgehend unbeachtet,
Dinge von außergewöhnlicher Güte produziert. Die
Rede ist von der Gruppe „Paganinis Kinder“.
1981 nahm der Sänger und Dichter Peter Wagner mit drei Musikern
seine erste Platte auf: „Peter Wagner: Mensch…“ hieß das
Produkt, erschienen als Extraplatte 21. Zwei waren noch dabei,
als ein Jahr später die Zusammenarbeit in die Gruppe „Paganinis
Kinder“ mündete. Zu Wolfgang R. Kubizek (Violine, Naturhorn,
Trompete), der z.B. auch für das „Vienna Art Orchestra“ komponiert
hat, und dem Schlagzeuger Christian Mühlbacher (früher
bei „pizarillo abstrakt“, „Nouvelle Cuisine“, „Dynamit“ und
Tourneemusiker bei Sigi Maron) kamen der Gitarrist Hans Sokol und
Klavier- und Synthesizer-Spezialist Christoph Cech.
Vorige Woche wurde jetzt ihre – erste oder zweite, wie man’s
nimmt – Langspielplatte „Paganinis Kinder“ im „k.uk.u“ in
Wien vorgestellt und an zwei Abenden im „Titanic“ live
präsentiert. Das künstlerische Cover mag manchem bürgerlichen
Auge auf den zweiten Blick obszön erscheinen. Aber Erotik
und auch Deftigeres (der Titel „Lulu“ meint nicht den
Klassiker von Wedekind, sondern schildert eine gewisse körperliche
Erleichterung akustisch) haben auch viel Platz in Wagners Texten – meist
allerdings nicht für sich stehend, sondern in Verbindung und
in Auseinandersetzung zur Umwelt. Dafür stehen die Titel „Lass
mich dich sehen“, „Rot, Gelb, Grün“, „Mord,
Sex, Revolution“ und „Im Morgengrauen“. Im letztgenannten
Lied etwa wird das Frühmorgengeschehen einer Hinrichtung und
eines Zeugungsaktes parallel gesetzt.
Aber auch mit einigen wenigen Worten („Deine Finger“)
kann Wagner erotische Spannung erzeugen.
Neben diesen meist ungereimten Texten stehen zwei im Versmaß.
Der eine („Der Clown geht ham“) ist der einzige im
Dialekt und erzählt eine etwas melancholische Ballade mit
politischer Schlussaussage, der andere („Papagei“)
ist eine völlig absurde Moritat, in der der Refrain singt,
dass er aus diesem blöden Lied raus will.
Ebenso ungewöhnlich wie die Texte ist ihre Kombination zur
Musik. Jazz dominiert, auch wenn die Eingangsnummer „Kugel
aus Glas“ auf hartem Rock-Beat aufgebaut ist und der „Papagei“ eher
new-wavig daherkommt. Aber eigentlich geht es quer durch den musikalischen
Garten: Blues- und Minimalismus-Elemente finden sich ebenso wie
Funk, der an Frank Zappa erinnert.
Kurz: Diese Produktion aus dem Sica-Sound-Studio im burgenländischen
Oberschützen ist von derartiger Qualität, dass sie in
der österreichischen Musiklandschaft recht verloren erschein.
Lassen wir das Phänomen Ambros beiseite, bleibt immer noch
genug, um sich über die Szene zwischen internationalem Renner
Falco und nationalem Schlager á la Fendrich oder gar Krankl
zu ärgern. „Paganinis Kinder“ werden in diesem
Milieu deshalb wohl auch nie den Erfolg haben, den sie verdienen.
Aber wahrscheinlich ist gerade das der Unterschied zwischen Kunst
und Gewerbe.
Georg Friesenbichler, WIENER ZEITUNG
Musik zum Wachsen
„Paganinis Kinder: Paganinis Finger“,
Extraplatte 47
„Wir schreiben keine Musik, die man in eine Streichholzschachtel
steckt und dann in der Hosentasche verschwinden lässt“,
erklärt Christoph Cech, Keyboarder der österreichischen
Gruppe „Paganinis Kinder“. Das ist keine ganz neue
Aussage, denn wie viele Musiker gibt es, die sich zwar verbal gegen
eine Vereinnahmung und anschließende Schubladisierung durch
das Publikum wehren, auf ihren Platten aber dann genau darauf hinarbeiten,
um so ihren Wiedererkennungswert, der ja in der Plattenbranche
eine bedeutende Rolle spielt, zu erhöhen. Aber die erste LP
von „Paganinis Kindern“ mit dem Titel „Paganinis
Finger“ lässt jeglichen Verdacht auf Anbiederung an
den Massengeschmack bald schwinden.
Die Musiker sind Wolfgang Kubizek (Violine, Blasinstrumente) und
Schlagzeuger Christian Mühlbacher, die ebenso wie Cech ihre
Wurzeln in der „ernsten“ Musik sehen, sowie Gitarrist
Johann Sokol, der einzige echte Rockmusiker der Band. Die Musik
auf „Paganinis Finger“ ist schwierig bis überhaupt
nicht einzuordnen und bewegt sich irgendwo zwischen Rock und Jazz,
beide Ausdrücke genügen aber nicht, um sie hinreichend
zu beschreiben (für alle, die schon die Streichholzschachtel
in der Hand haben: es ist auch kein Jazzrock). Obwohl eine einzelne
Stücke nicht gemeinsam, sondern jeweils von nur einem Mitglied
geschrieben worden sind, lässt die Platte dennoch einen geschlossenen
Eindruck entstehen.
Die Texte stammen vom Sänger Peter Wagner, der ja durch seine
Schriftstellertätigkeit bekannt ist, und sind durch die mystische
Art, mit der er seine Haltung zu Frauen ausdrückt, für
den breiten Massengeschmack wohl eher schwer verdaulich. Aber „der
Charakter der einzelnen Bandmitglieder schließt eine eventuelle
Spekulation auf aus dem gegenseitigen Akzeptieren der Andersartigkeit
entsteht eine Musik, die eben nur nach „Paganinis Kindern“ und
sonst nach nichts klingt. Wir spielen weder ‚Jazzrock’ noch ‚Experimentalpop’ (Kritikerzitate)
und sind auch nicht ‚Peter Wagner und Band’. Dagegen
wehrt er sich genauso vehement wie wir“, sagt Christoph Cech.
Großen Wert legen „Paganinis Kinder“ auch darauf,
nicht mit der so genannten „Austro-Rock-Szene“ in Verbindung
gebracht zu werden. „Diese Leute machen doch eine zum Verwechseln ähnliche
Musik, was ja auch kein Wunder ist, denn sie haben ja alle auch
mehr oder weniger die gleichen Begleitmusiker.“ Inzest? „Genau.
Außerdem haben ein Ambros, eine Maria Bill und wie sie alle
heißen, beim Publikum ein starkes festgelegtes Image. Anstatt
etwas zu riskieren und einmal neue Wege zu gehen, befriedigen sie
die immer gleichen Erwartungen der Fans auf immer gleiche Weise
und machen so immer die gleichen Platten. Diese Konsumpolitik stellt
sich gegen die Phantasie der Zuhörer. Erlebnisse sind nicht
mehr möglich. Darunter leidet praktisch die gesamte österreichische
Musikszene.“
Nicht nur aus Kostengründen, sondern auch um dieser Atmosphäre
auszuweichen, wurde die Platte nicht in einem Wiener Studio, sondern
im Burgenland, wo auch die Hälfte der Band wohnt, aufgenommen
und abgemischt – nicht zu ihrem Nachteil, denn die Produktion
ist, schlicht gesagt, hervorragend.
Fazit: „Paganinis Finger“ sei hiermit jedem empfohlen,
der bereit ist, durch mehrmaliges Hören in eine Musik, die
anfangs vielleicht ein zu großer Schuh ist, hineinzuwachsen,
für den Musik mehr ist als der abendliche Weichspüler
für die kleinen Alltagssorgen. Musik, von der in erster Linie
der Hörer profitiert und nicht der Erzeuger.
Dieser Ansicht scheint auch Günther Timischl von den steirischen „STS“ zu
sein, denn er rät der Gruppe zusammenzubleiben, auch wenn
die großen Erfolge vorerst auf sich warten lassen – denn „irgendwann
passiert’s dann“. Vielleicht schon mit dieser Platte.
Man wünscht es ihnen.
-tom-, AZ
Musik Peter Wagner
Musik anderer Komponisten mit Texten von
Peter Wagner
- Paganinis
Kinder: Paganinis Finger, LP, Extraplatte 1986 (vergriffen)
- Die
F.F.-Company & Co - Das Jazz-Musical, CD-Neuauflage Extraplatte
2000
- Güssinger
Gaukler, CD 1996
- Die
Weiße Frau, CD 1997
- Die Schwarze
Kaiserin / I kali tschasarkia,CD, edition lex liszt 12 1998
- Die Gläserne
Spinne. Fantasie aus dem Depot, Extraplatte 1999
- HugoHugo, Mini-CD, musical güssing 2000
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