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Adolf Hitler Superstar
von Peter Wagner
Wem´s jetzt noch nicht klar ist, dem ist wirklich nicht mehr
zu helfen: die populärste aller weltgeschichtlichen Figuren
in deutschen und ostmärkischen Landen ist und bleibt unser unvergesslicher
Adi. Wir haben dich nicht vergessen, und manchmal scheints, als wärst
du wieder unter uns.
Erschrecken Sie nicht, liebe Demokraten! Die Wahrscheinlichkeit,
dass ein gewisser Pauli Wasserkopf irgendwo in Brasilien oder Argentinien
als Adolf Hitler identifiziert wird, ist eher gering, um nicht zu
sagen ausgeschlossen. Und doch feiert diese miese teutonische Strohpuppe
des damaligen deutschen Großkazitals wieder eine fröhliche
Auferstehung. Spitzfindige Geschäftsleute, um immer neue Melkkühe
noch nie verlegen, haben vor noch gar nicht allzu langer Zeit endlich
eine klaffende Marktlücke gefüllt und erkannt, welche ungeheures
finanzielles und ideologisches Potential der Führermythos in
sich birgt. Man tut demnach genau das, was man gewöhnlich mit
weniger politischen Lackaffen des Showbusiness (sieht man von dem
rechtsradikalen Schnulzensänger Heino ab) zu tun pflegt, um
an ihnen Millionen zu verdienen: man macht Hitler zum Star. Und schon
rollt der Rubel, dass dieser Bursche, Hitler natürlich, so einiges
Sensationelles zu bieten hat, steht ja wohl außer Zweifel.
Außerdem: solange Geld die Welt regiert – wenn man diesem
bestechend einfachen Sprüchlein Glauben schenken darf –,
wird keiner darauf verzichten wollen, am großen Käsekuchen
mitzuknabbern. Also, wühlt man schön auf den Dachböden,
ein kleiner, von Hitler persönlich gezeichneter Brief an den
Opa oder gar an die Oma ist heute Goldes wert!
Gerade in einer Zeit aber, wo der Hitler-Boom bereits um seine Führung
in der Hitparade kämpfen muss, wo die meisten Hitler-Biographien
gedruckt und vergriffen, die meisten Filme gedreht und gezeigt sind,
wo das Hitler-Musical längst komponiert und aufgeführt
ist, wo also die meisten Millionen schon kassiert sind – da
wartet auch das allseits bekannte Reisebüro Südburg, mit
Zweigstelle am Hauptplatz Oberwart, mit einer entzückenden Idee
auf. Jenes Reisebüro nämlich, das zwar den Besitzer, nicht
aber den Namen geändert hat, aus welchen Gründen auch immer.
Eingeladen wird, mittels einer vierfarbigen Postwurfsendung, „zu
einem unvergesslichen Urlaubstag mit historischer Rundfahrt durch
das Berchtesgardener Land“. Und unter dem verführerischen
Foto von dem berühmten, panoramaumränkten Steinhaus auf
dem hohen Felsen, in dessen Hof hunderte Pilger in stiller Andacht
zu lagern scheinen, steht in großen Lettern geschrieben: „Adolf
Hitlers ’Adlerhorst’ am Obersalzberg, das ehemalige Führerhauptquartier“.
Voller gespannter Neugierde schlägt man das Papier auf und
stößt auf das Tagesprogramm, das sämtliche „großartigen
Leistungen dieses herrlichen Tages-Ausfluges“ anpreist. Hier
ist zu erfahren, dass man nach einem guten Schluck Enzian in der ältesten
Enzianbrennerei Deutschlands noch eine Werbe- und Verkaufsveranstaltung
einer hannoveranischen Firma über sich ergehen zu lassen hat
(zu welchem Zweck das wohl?), ehe es nach dem Mittagessen mit Sonderpreis
endlich so weit ist: die „Historische Rundfahrt in die Vergangenheit“ kann
beginnen – für alle jene, die halt heute noch immer ein
bisserl an ihr hängen, an der Vergangenheit. Man wird die Befehlszentrale,
den „Adlerhorst“, das Türkenhaus (Sitz der ehemaligen
Gestapo), die SS-Kasernen, Hitlers Privatbunker, Hitlers Haus „Wachenfeld“ und
vieles anderes mehr besichtigen und bewundern können, und bei
soviel geballter Vergangenheit darf man auch das eigene Selbstwertbarometer
genüsslich in die Höhe schnellen lassen. Denn mit Sicherheit
wird man am Adlerhorst Gesinnungsgenossen antreffen und neben nostalgischen
Erinnerungen auch wieder ein tapferes Wörtchen über die
heutigen gesellschaftlichen Zu- und Missstände wagen dürfen,
Prost auf den neuen alten Führer, hoffentlich kommt er noch
rechtzeitig und so weiter.
Die Rückfahrt schließlich garantiert „stimmungsvolle
Bordmusik“. Dabei wird es bestimmt niemandem verübelt,
wenn er mit schallendem Tenor das eine oder andere vierstimmige Naziliedchen
anstimmt. „Ein herrlicher Tag, um den Sie ihr gesamter Bekanntenkreis
beneiden wird!“ Und auf der Rückseite des gefalteten Blattes
wird einem die Reise durch ein Foto von Hitlers zerstörtem Berghof
noch einmal so richtig schmackhaft gemacht.
Auf, Kameraden! Am 7. September ist es soweit. Start in’s
Vergnügen um 3.50 Uhr, das ganze um den lächerlichen Fahrpreis
von nur 225 Schilling, da muss man doch zugreifen. Allerdings bitte
Anmeldekarte „sofort ausfüllen und abschicken, da unsere
Fahrten meist ausgebucht sind“.
Noch ein wertvoller Hinweis von mir: Teilnehmer dieser herrlichen
Reise werden beim Einsteigen in St. Martin, Drumling, Oberwart und
Unterschützen garantiert nicht von den lästigen Kameras
der Verfassungsschützer beobachtet. Es ist nach wie vor Privileg
angeblich linksextremer Kreise, in die Kartei der Verfassungsfeinde
einzugehen. Diese haben zwar noch keinen Weltkrieg angefangen wie
die Hitlerfaschisten und ihre Geldgeber (welche ja heute noch weitgehend
das wirtschaftliche und z. T. auch politische Geschehen bestimmen,
wie es uns der Fall Filbinger vor Augen geführt hat), dafür
werden sie aber ausnahmslos in einem Topf mit Terroristen und Sympathisanten
geworfen. Dazu genügt bekanntlich schon eine Anti-Atom-Plakette
am Rockkraoen.
Ihr seid natürlich keine Terroristen, die ihr voller Wehmut
und stillem Fanatismus die Wirkungsstätten Eures Führers
besucht. Und auch Ihr seid keine, die ihr zu solchen Fahrten einlädt.
Aber Sympathisanten seid Ihr, Sympathisanten eines Mörderregimes-
Natürlich sollte Euch genauso der Hass der Öffentlichkeit
gelten. Doch dem bestechend einfachen Sprüchlein entsprechend
wird’s ein Geschäft, und Geschäft bleibt Geschäft.
Schade nur, dass im Programm für die Heimfahrt kein Abstecher
nach Mauthausen mit Besuch des dortigen Konzentrationslagers vorgesehen
ist. Dadurch würde die „Historische Rundfahrt in die Vergangenheit“ garantiert
um einiges kompletter!
Peter Wagner
Erschienen am 6.9.1978 in der OZ (Oberwarter Zeitung)
Kommentare, Reden, Offene Briefe (Auswahl)
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