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Ich eröffne!
Die Rede ist das Produkt einer nicht ganz ernst gemeinten
Vereinbarung zwischen der Landesrätin und dem Autor, wonach
der Autor der Landesrätin für eine einmalig bleibende Gelegenheit
als Ghostwriter diene. Nach dem ersten Überfliegen des Manuskripts
bestand die Landesrätin allerdings darauf, dass der Autor
die Rede selber verlese.
ICH ERÖFFNE
Rede von Frau Landesrat Dr. Christa Krammer
anlässlich der Eröffnung der Café-Galerie
im Offenen
Haus Oberwart am 23. Juni 1989
verfasst von Peter Wagner
Sehr geehrte Damen und Herren,
mir als der zuständigen Landesrätin für kulturelle
Angelegenheiten im Burgenland ist die ehrenvolle Aufgabe übertragen,
heute an diesem 23. Juni 1989 eine nicht ganz alltägliche Eröffnung
vorzunehmen. Unter „nicht ganz alltäglich“ verstehe
ich den Umstand, dass ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren,
heute eine Eröffnung machen darf, die folgenschwere Konsequenzen
für unser Heimatland zeitigen wird. Hiermit habe ich meine Eröffnung
eröffnet.
Nun, meine Damen und Herren, war ich, bin ich, werde ich immer sein – nämlich
konfrontiert mit der Aufgabe, irgendwo in diesem Land irgendetwas
zu eröffnen. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass die Verpflichtung
zu eröffnen in mein Gehalt als Landesrat einbezogen ist, dennoch
muss ich gestehen, dass sie mich auch vor gewisse Probleme stellt.
Sie erinnern sich gewiss an die unsäglichen Worte meines rhetorisch
so unvergleichlichen Kollegen Fred Sinowatz, der anlässlich
der Eröffnung der Czelley-Mühle verkündete: „Ich
weiß zwar nicht genau, was ich hier eröffne, aber ich
eröffne es.“ Abgesehen davon, dass sich in diesem Satz
das hohe Ethos des Spitzenpolitikers erkennen lässt, der sozusagen
selbst ohne Schienen noch Eisenbahn fahren würde, so weist das
vorangegangene Zitat doch auch auf einen gewissen Notstand des Eröffnungsfunktionärs
hin. Und wahrlich, ist er nicht viel zu oft mit sich und seiner Eröffnung
alleine gelassen? Wer steht ihm bei, wenn er im Regen steht und der
gierigen Schar der Eröffnungsgeiferer das Blau des Himmels erklären
soll? In allen Fragen des öffentlichen Interesses stehen dem
Politiker Berater zur Verfügung. Und sollten diese versagen,
so halten Hunderte von Tabellen und Statistiken her, die er notfalls
auch erfinden kann. Und da es nicht nur das Stigma, sondern auch
die einzige Überlebenschance des Politikers ist, wenigstens
im Verdrehen genial zu sein, so wird er egal welche Statistik sowieso
so zu verdrehen imstande sein, dass niemand es nicht merkt, wenn
er wieder einmal seine Aufgabe getan und daher viel redend nichts
gesagt hat – Punkt.
Aber die Eröffnungen, meine Damen und Herren! Selbstverständlich
ließe sich das taktische Prinzip des Nichts-Sagens auch auf
die Eröffnungen ausdehnen, und so wird es von uns Politikern
ja auch praktiziert. Dennoch finde ich – und betrachten Sie
das als meine große philosophische Erklärung an diesem
Nachmittag! – dennoch finde ich, dass die Eröffnungen,
das Eröffnen an sich als kultureller Wert unserer an Werten
so armen modernen Gesellschaft zu schade ist, um weiterhin von reinem
Eröffnungsdilettantismus fertig gemacht zu werden. Lassen Sie
mich daher mein Credo zum Aufbau einer neuen kulturellen Wertigkeit
des Eröffnens, zu neuen Formen der Eröffnungskultur aussprechen!
Und zugleich einen Maßnahmekatalog zur Wiederherstellung der öffentlichen
Reputation des Eröffnungskultes präsentieren, der ja – und
ich darf mich dabei stellvertretend für meine Zunft in bescheidener
Selbstkritik üben – durch uns Politiker sozusagen flöten,
pauken und trompeten gegangen ist.
Als erste Maßnahme ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
vorgesehen, der seiner Aufgabe, zu untersuchen, vollinhaltlich nachkommen
soll. Unverzüglich nach Vorliegen des Abschlussberichtes des
Untersuchungsausschusses, werde ich mich persönlich für
die Abhaltung eines Symposions einsetzen, das nicht nur klären
soll, wie und warum es so weit kommen konnte, sondern in einzelnen
Arbeitskreisen auch Vorschläge für die Zukunft entwickeln
soll. Hierbei muss es unser erklärtes Ziel sein, alle im öffentlichen
Raum wirkenden Kräfte des Landes zu versammeln und in unsere
große Idee einzubeziehen. Künstler, Lehrer, Sozialarbeiter,
Arbeitsmarktbetreuer, Journalisten, Pfarrer, Präsidenten, Direktoren,
Hofräte, Regierungsräte, Amtsräte, Betreuungshelfer,
die Leiter des engagierten Laienspiels, Werbefachkräfte, Bürgermeister,
Versicherungsagenten und interessierte Hausfrauen. Als drittes, und
darüber habe ich mit meinem Kollegen, dem Herrn Landeshauptmann
schon eine Einigung erzielt, schließlich ist ja auch er von
der Eröffnungsmisere mehr als betroffen, als drittes wird sich
unverzüglich nach dem Vorliegen eines Arbeitspapiere ein Gremium
im Landtag konstituieren, das mit der Aufgabe betraut ist, die Vorschläge
der Arbeitskreise zu prüfen und wohlwollend zu behandeln.
Viertens wird dann, nach Vorlage des Gremienberichtes, der Landtag
ein neues Ressort eröffnen, das „Referat für Eröffnungsfragen“.
Etwas schmerzhaft, wenngleich nicht ganz ohne Hintersinn, werden
die Beamten des Ressorts im Volksmund den Titel eines „Kollege
Büchsenöffner“ erhalten, wofür letztlich ich
selbst mit meinem Mundwerk sorgen werde. Kollege Büchsenöffner
soll in Zukunft für das neue Eröffnungsbewusstsein des
Burgenländers und der Burgenländerin stehen, Hofrat Büchsenöffner
hingegen beweisen, dass man es auch in diesem Beruf zu etwas bringen
kann, wenn man nur gewillt ist, etwas zu leisten und keine Eröffnung
auszulassen.
Unser Motto wird jetzt und für alle Zukunft lauten:
Mehr Eröffnungen
in unserem Land!
Bessere Versorgung mit qualifiziertem Eröffnungspersonal!
Aufbau
einer hochqualifizierten Eröfffnungsinfrastruktur!
Steigerung
von Angebot und Nachfrage, von Anfrage und Nachgebot!
Zusammenarbeit
mit den geistigen und faktischen Leistungsträgern
des Landes!
Mehr Transparenz in der Öffentlichkeit!
Der Österreichische Rundfunk und das Fernsehen müssen
endlich ein echter Eröffnungsrundfunk und ein echtes Eröffnungsfernsehen
werden!
Die burgenländischen Zeitungen sollen sich wieder ihrer wahren
Berufung erinnern und verstärkt von Eröffnungen berichten!
Daher
fordere ich: Noch mehr Fotos von Eröffnungsfeierlichkeiten
in unsere Zeitungen!
Geben wir somit unserem Land eine neue Chance! Lassen wir es vorbei
sein mit Pessimismus und Schwarzfärberei! Es kann nur mehr aufwärts
gehen. Und wir werden die Chance nützen. Lassen Sie uns endlich
arbeiten, wie wir wollen, und wir werden Ihnen Dinge beweisen, die
Ihnen glatt die Sprache verschlagen!
„Wien die Festspielstadt. Burgenland das Eröffnungsland!“ Unsere
hochqualifizierten Exporteröffnungsfachkräfte, ausgebildet
in eigens für sie eröffneten Propagandafachschulen, werden
reißenden Absatz finden. Denn es ist uns Burgenländern,
und seien wir doch stolz darauf, es ist uns Burgenländern vorbehalten,
in eine echte Marktlücke vorzustoßen. Letztendlich werden
es unsere Eröffner sein, die den Ruf des Burgenlandes auch im
Ausland ein für alle mal besiegeln werden. Nicht umsonst geht
die Sonne im Osten auf! Lassen Sie uns sie täglich eröffnen,
lassen Sie uns mit leuchtendem Beispiel vorangehen! Ob Kapelle oder
Saustall, ob Cafehaus oder Galerie, ob Wohnhaus oder Kanalschacht,
ob Autobahnbrücke oder das freiluftige Sandlerquartier darunter,
ob Taubenkobel oder Hochzeitsbett, ob Bierflasche oder Zigaretten-
und Präservativschachtel, ob Lungenkrebs oder Magengeschwür – alles
wird in Zukunft eigens und speziell eröffnet. Und es wird auch
noch in zukünftigen Zeiten der nicht mehr zu vertilgende Slogan – von
der Landesregierung übrigens mit dem Großen Burgenländischen
Werbepreis ausgezeichnet – gelten: Komm ins Burgenland, denn
dort eröffnet sich dir alles!
Somit, meine Damen und Herren, erkläre ich meine Eröffnungen
für eröffnet.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Kommentare, Reden, Offene Briefe (Auswahl)
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