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TINA
MODOTTI
Eine Frau mit Rouge auf den Fäusten
Theaterstück von Wolfgang Maria Siegmund
Uraufführung
Mit Maddalena-Noemi Hirschal und Heinrich Baumgartner
Inszenierung und Bühne: Peter Wagner
Produktion: klagenfurter
ensemble
Premiere: Donnerstag, 31. März 2011, 20.00 Uhr
Theater Halle 11, Messeplatz 1, 9020 Klagenfurt
Fotos: Günter Jagoutz
Melancholie
ist der zweite geheime, wahrscheinlich noch mächtigere Schlüssel
...
Ein Text des Regisseurs Peter Wagner zur Uraufführung
von Wolfgang Maria Siegmunds Stück „Tina Modotti –
Eine Frau mit Rouge auf den Fäusten“

Plakat: Eveline Rabold unter Verwendung einer Wandmalerei von
Diego Rivera (Modell: Tina Modotti)
Sie sei legendär, sagt man, und doch seien ihre Fotografien
noch immer zu wenig beachtet: Tina Modotti. Immerhin, seit ihrer
Wiederentdeckung vor gut zwanzig Jahren erzielt ihr fotografisches
Werk aus den 1920erjahren Rekordgewinne bei Auktionen. Auch der
Feminismus hat sie bald für sich entdeckt.
Schon mit 23 ist die Arbeitertochter aus Udine in Star. Sie hat
das Elend hinter sich, die Kinderarbeit in ihrer Heimatstadt, später
im kärntnerischen St. Ruprecht, noch später in San Francisco.
Sie hat das Elend in aller Gründlichkeit erlebt, es zu beschauen
und zu benennen gelernt, es irgendwie ungefragt und zielstrebig
hinter sich gebracht. Und dann Hollywood! Und dann die Tatsache,
dass die sich etablierende Industrie der Bilder ihrer wachen, aufbegehrenden,
sinnlichen Begehrlichkeit nichts als das Stereotyp einer Frauenrolle
anzubieten imstande ist, mit dem ihr kein dauerhafter Ruhm als Stummfilmstar
beschieden sein wird. Man hat zuletzt ohnehin das zwingende Gefühl,
dass sie nach vier Stummfilmen auf Hollywood gepfiffen hat –
von sich aus und ohne jeden larmoyanten Abgang. Da lag noch etwas
Waches, Wühlendes, Unerhörtes, Hingegebenes, Hingebendes
vor ihr!
Mit genauso zwingender Folgerichtigkeit, wie es sie aus Hollywood
treibt, zieht es sie in andere künstlerische Gefilde, ohne
dabei ihren sozialen Hintergrund jemals zu überholen und sich
sakrosankt einer dekadenten Bohème zu überlassen, in
deren schaukelnder Selbstzufriedenheit sie sich ja auch ganz gut
eingerichtet hat. An der Seite ihres damaligen Geliebten, des berühmten
Fotografen Edward Weston, reist sie nach Mexico-City, dem libidinösen
Magnet unter der Gürtellinie des amerikanischen Paradoxons.
Dort entsteht ihr künstlerisches Vermächtnis in nur wenigen
Jahren. Sie nützt das gleißende mexikanische Licht für
den je eigenen Blick auf den stillen Kampf der Menschen um Überleben
und Würde, aber auch auf die plakativen Symbole und den kraftvollen
Auflauf der Revolution, wobei sich stets das Herz einer hingabevollen
Frau und manifesten Kämpferin im Blick der Fotografin, in der
verdichteten Botschaft des Augenblicks mitteilt.
Und doch weiß sie mit fast beklemmender Sicht auf das Eigene
den Stachel in ihrem Fleisch zu benennen: Ich kann nicht ...
das Problem des Lebens lösen, indem ich mich im Problem der
Kunst verliere.
Je mehr sie sich in der Folge in das agitatorische Engagement als
Kommunistin und lange Zeit auch Stalintreue stürzt, umso entschiedener
kehrt sie der Kunst den Rücken und lebt ihre Vision einer sozial
gerechten Welt als Übersetzerin, Referentin, Artikelschreiberin,
Agentin der Roten Hilfe, ja Krankenschwester. Nicht ganz freiwillig
und doch mit folgerichtiger Emphase führt ihr Lebensweg sie
von Mexiko nach Berlin und Moskau, nach Paris, in den spanischen
Bürgerkrieg und schließlich unter falschem Namen als
Flüchtling wieder nach Mexiko. Hier aber erscheint sie - zu
jung um alt zu sein, zu alt um noch einmal jung und revolutionär
sein zu können - als der Schatten ihrer einstmals unerhörten
Blüte. Sie stirbt 1942 im Alter von 46 Jahren in einem Taxi
in Mexico-City, möglicherweise durch Beihilfe, wahrscheinlicher
aber an sich und ihrem versagenden Herzen – jedenfalls aber
alleine und in Analogie zu jenem Haus, das Weston und sie „barca“,
das Boot, genannt hatten: Dort waren, auf der Terrasse unter der
gleißenden Sonne, die berühmten Nacktfotos von einem
Körper entstanden, der manifest und zerbrechlich war wie kaum
ein anderer.
Erst in den letzten Jahren haben Kunstwelt und –markt wieder
zu ihr gefunden. Zu einer, die bereits am Höhepunkt ihrer Schaffensepoche
als damals 29jährige von sich behauptete: Ich lege zuviel
Kunst, allzu viel Energie, in mein Leben und habe infolgedessen
nichts mehr übrig, um es der Kunst zu geben.
Überlegungen zur Inszenierung am Beispiel der Szene
2.1
MODOTTI – CAPA – dazwischen der alles in allem unterdrückte
Sexus, die schlagend werdende Keuschheit, ja Einsamkeit im Wesen
zweier Menschen, die als Götter des Libertären
(Diktion des Autors) gelten.
Und nun endlich sind wir bei Tina, der kämpferischen, der Revolutionärin
mit dem bis ins Laszive reichenden Über-Ich, der strengen Moralistin,
dem praktizierenden Irrtum, ohne den Geschichte nicht entsteht.
Ihr Körper ist das gelebte Recht, nicht ihr ursächlicher
Trieb, nicht ihr primäres Verlangen - warum sie mit ihrem Körper
letztendlich auch freizügiger und folgenloser umgehen kann
als mit ihrer politischen Überzeugung. So kann ihr Körper
nicht irren, ihr Verlangen aber sehr wohl – und das delegitimiert
ihre Rechtfertigung als Moralistin bis zu einem gewissen Grad, ohne
sie dadurch antastbar zu machen. Denn am Ende steht doch wieder
das Recht des Körpers, den sie jederzeit auch demonstrativ
verweigern kann, ob sie ihn nun selbst ins Spiel gebracht hat oder
nicht.
Und wir sind bei einem Bob Capa, der von der Selbstdefinition als
fotografierender Kämpfer gegen den Krieg längst in den
Sarkasmus übergewechselt ist, mit teilweise hysterischen Anflügen
unter der spiegelnden Kruste aller Selbsteingenommenheit, die ja
doch nur als das Resultat einer Identitätsfälschung durch
eine andere Namensmaske etwas hergibt. Seine Legitimität beruht,
umgekehrt analog zum Körper Tinas, nicht in seiner körperlichen
Anziehung – sosehr er zu den Schönen gehört und
mit seiner Schönheit prahlen kann -, sondern im politischen
Ethos seiner Bilder aus dem Krieg – Die Wahrheit ist das
beste Bild! -, von dem er ideel, aber auch parasitär lebt;
da aber erhebt sich die moralische Grundfrage über ihn, die
von Tina formuliert wird: Ist er tatsächlich ein Kämpfer,
oder ist er nicht eigentlich ein Schmarotzer, der gutes Geld mit
der bildhaften Übermittlung der Not anderer macht? Ist sein
vermeintliches Anliegen, den Krieg mit seiner entlarvenden Selbstdarstellungt
überwinden zu wollen, ohnehin nicht mehr ist als ein kaltschnäuziges
Kalkül? Als vermeintliche Antipode zum stalinistischen Mörder
Carlos – und Lebensgefährten Tinas! - scheint er diesem
plötzlich gefährlich nahe.
Der gesamte Dialog, einmal befreit von dem überbordenden Material
an historisch-persönlicher Information der beiden Protagonisten
und ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeiten, ist ein Konstrukt konkreter
Unwirklichkeit, das nach den Eigentlichkeiten im Wesen der beiden
Persönlichkeiten fragt. Ist davon auszugehen, dass die geschichtlichen
Personen einander tatsächlich im Mexiko des Jahres 1940 begegnet
sind, so begegnen sie sich hier als abstrahierte Scherenschnitte
ihrer je eigens geformten Charaktere. So überwinden sie auch
historische Unstimmigkeiten: Da wird beispielsweise unterstellt,
die Szene spiele im Jahr 1940 in Mexiko City; tatsächlich deutet
vieles darauf hin, nicht zuletzt das berühmte Foto aus dem
spanischen Bürgerkrieg, das 1936 entstand; auch der Hitler-Stalin-Pakt
liegt bereits hinter uns; andererseits ist von den Flappers die
Rede, die ihre gesellschaftliche Bedeutung vor der Weltwirtschaftskrise
1929 hatten; auch Tinas Zeiten, in denen sie sich in Arbeiterkluft
gefiel und fotografieren hat lassen, liegen fast anderthalb Jahrzehnte
zurück (1926). Dennoch erscheinen diese offensichtlichen historischen
Brüche weder als lügenhaft noch als dramaturgisch konstruiert,
im Gegenteil: Ihre individuellen, individuell geschichteten Wahrheiten
prallen über den zeitlichen Horizont hinaus als merkwürdig
züchtig erscheinendes, immer im Bereich der Imagination verbleibendes
erotisches Spiel aufeinander, das eigentlich mehr ihre Verletzbarkeiten
transportiert als die von ihnen auf die Zeitgenossenen herüberschwappende
(Strahl)Kraft. Selbst wenn Tina als Carmen Contreras, von Bob bewusst
oder unbewusst nicht als Tina Modotti erkannt, ihre Hände
um Bob schlingt, der gar nicht weiß, was ihm geschieht,
und danach auch ganz unverhohlen an die Hose greift, bleibt
von dieser Annäherung, die unmittelbar im Bett enden könnte
und jedenfalls schon vereinbart ist, nicht so sehr der trotzig resignative
Ausdruck einer Verweigerung, sondern der konsequente Ausdruck eines
gelebten Prinzips: Der Körper könnte sein Recht einfordern,
wie er es immer getan hat, allein das moralische Über-Ich erlaubt
das Ignorieren und Nicht-Erkennen (gewissermaßen ein umgekehrtes
Amphitryon-Motiv!) der Person nicht
Hierin liegt das, was oben als schlagend werdende Keuschheit
bezeichnet wurde, wie sie ja auch tatsächlich den berühmten
Nackt-Fotos von Tina Modotti, gedacht und gemacht von Edward Weston,
abzulesen ist. Wobei Keuschheit dieser Interpretation nach nichts
mit dem indizierten sexuellen Stellenwert zu tun hat, sondern mit
der Unbedingtheit und Unantastbarkeit persönlicher Integrität,
selbst noch im alles egalisierenden kommunistischen Weltbild. Das
schließt nicht nur ein, sondern bedingt den Körper als
gelebtes Recht: Wer so liebt und gibt wie Tina Modotti, gibt alles,
also auch sich ohne Wenn und Aber und ohne die Trennlinie zwischen
Politischem und Privatem – oder sie gibt nichts. So sehr sie
das unantastbar macht, im Tiefsten und Klarsten, kann es sie schließlich,
wie wir sehen werden, als ein nicht mehr verstandenes, von Männer-
wie Frauenfantasien als bedrohlich empfundenes Wesen dastehen lassen.
Peter Wagner, im Februar 2011
Verwandte Seelen im Dialog
Spannend, sinnlich, sehenswert:
Uraufführung von „Tina Modotti. Eine Frau mit Rouge auf
den Fäusten“ beim „klagenfurter ensemble“.
Sie war das „little girl from Italy“,
die Arbeitertochter, die es bis nach Hollywood geschafft hatte,
eine Göttin der Linken. Er war „ein wilder Hund“,
Kriegsberichterstatter mit Wurzeln in der k.u.k. Monarchie, gemeinsam
mit Henri Cartier-Bresson einer der Gründer der legendären
Fotoagentur „Magnum“. Beide waren sie „Kinder
der Zeit, in Leben und Haltung fast Spiegelbilder“, wie der
Kärntner Autor Wolfgang Maria Siegmund Tina Modotti und Robert
Capa in seinem Stück charakterisiert.
Der Kunstgriff ist raffiniert, die Dramaturgie sehr ausgeklügelt:
Zwei Monologe sind durch Zeit und Raum getrennt (Modottis Todestag
1942 in Mexiko und Capas Todestag 1954 in Vietnam); sie verweben
sich im Laufe des Stückes zu einem spannenden Dialog zwischen
den Seelenverwandten, die einander im tatsächlichen Leben nur
zweimal begegnet sind.
Exotisches Flair
Auch auf der Bühne sind die Protagonisten meist getrennt durch
eine blutrote Stoffbahn, Symbol für den Kommunismus und die
Liebe zugleich. Zusammen mit der Schwarz-Weiß-Ästhetik
der Foto- und Film-Projektionen aus den 1930er- und 1940er-Jahren
(mit Aufnahmen von Modotti und Capa, untermalt von stimmigen Musikzitaten)
lässt Regisseur Peter Wagner die Atmosphäre einer Lebenswelt
entstehen, die von idealistischen Anti-Kriegs-Agitationen und dem
exotischen Flair des Mexikos von Frida Kahlo und Diego Rivera geprägt
war.
Maddalena-Noemi Hirschal verkörpert die faszinierend brüchige
Figur der Tina Modotti nicht nur äußerlich perfekt: Von
der jungen, erlebnishungrigen Auswanderin („Ich, die Proletin,
breite meine Flügel aus und fliege nach Hollywood!“)
bis zur müden, reifen Frau, die mit 46 einem Herzanfall in
einem Taxi erliegt, („Und plötzlich ist man Mitte 40
und sehnt sich zurück ins Kleinste, nach St. Ruprecht in Kärnten“)
zeichnet Hirschal ein differenziertes und empathisches Porträt
der kämpferischen Fotografin.
Heinrich Baumgartner als ihr Gegenüber entspricht zwar nicht
der historischen Realität (Capa war deutlich jünger als
Modotti), ist aber als desillusionierter Zyniker kongeniale und
leidenschaftliche Ergänzung seiner Partnerin. Ihn lässt
Siegmund auch die Melancholie des Stückes auf den Punkt bringen:
„Die, die sich finden wollen, verlieren sich, und die, die
sich nichts zu sagen haben, verbringen ihr Leben miteinander.“
Karin Waldner-Ptutschnig, Kleine Zeitung, 2. April 2011



Über den roten Wall der Zeit hinweg ...
Links – die Fotoseite von Kriegsberichterstatter Robert Capa.
Rechts die von Tina Modotti. Manchmal fügen sich die Bilder
über die mittlere Projektionsfläche zu einem Triptychon.
Uraufführung einer Zeitreise. Die Fotos in Schwarzweiß
oder Sepia. Das und die Todesjahreszahlen 1942 und 1954 weisen diesen
Legender der Fotografik ihren Platz in dieser Zeitrafferzeitreise
zu, die das Theaterstück „Tina Modotti – eine Frau
mit Rouge auf den Fäusten“ ist. Fasche, fast „überblendete“
Wortflashes, Namedropping tun das Übrige – um Begegnungen
und Umfeld von Bob und Tina (be)greifbar zu machen.
Zwei, die direkt nur in einer Verwirrspielszene in einem Hotel miteinander
sprechen: Sonst rufen sie sich die Informationen über ihr tun,
Befinden und Denken über den roten „Wall der Zeit“
inmitten der Bühne zu. Denn beide monologisieren, jeweils am
letzten Tag ihres Lebens. Zum Zeitreisenstart und auch deren Ende
lässt Regisseur (und auch Bühnengestalter) Peter Wagner
die beiden als Schattenriss, als Silhouetten tanzen. Die Fotografien
der beiden und der Song „Quizas, quizas“, bittersüß
„terzelnd“ gesungen von Omara Portuondo und Ibrahim
Ferren, schaffen mehr als die Verbindungen zu den 1930er Jahren.
Das gewisse lateinamerikanische Pathos, verstärkt vom Existenzialismus,
zieht sich auch durch den Text von Bob und Tina, den ihnen Autor
Wolfgang M. Siegmund in den Mund legt – als fiktive Story.
In all dieser Dichtheit der Atmosphäre nimmt sich der wiederholte
Satz von „St. Ruprecht in Kärnten“, also dem Stadtteil
Klagenfurts, in dem Tina sieben Jahre lebte, neben allen weiteren
Weltschauplätzen des Lebens von Tina und Bob sehr „fremd“
aus ...
Die Schauspieler Heinrich Baumgartner und Maddalena-Noemi Hirschal
lassen nicht nur die Leghenden sprechen, sondern auch andere, für
sie relevante Menschen. Ihre Lebensläufe sind so außergewöhnlich,
dass die Identifikationsebene zwangsläufig auf den Geschlechterkampf
konzentriert bleiben muss.
Maja Schlatte, Kärntner Tageszeitung 2. April 2011
"Eine
Frau mit Rouge auf den Fäusten"
"Tina Modotti, eine Frau mit Rouge auf den Fäusten"
- so heißt das Theaterstück, das in der Halle 11 am Klagenfurter
Messegelände aufgeführt wird. Das Stück erzählt
die Geschichte von zwei Menschen, die sich immer wieder verfehlen.
Femme Fatale, Künstlerin, Stalin-treue Agentin
Wer war diese Frau: Femme Fatale und Künstlerin oder Stalin-treue
Agentin? Auch Wolfgang Maria Sigmunds Stück gibt darauf keine
eindeutige Antwort.
Es ist ein erfundener Text, der doch unendlich wahr ist. Er erzählt
die Geschichte von Tina Modotti und Robert Capa, zwei Menschen,
die sich nicht finden können. Beide sind Fotografen, beide
sind politisch engagiert und beide sind weltberühmt.
"Ich liebe Texte, die mir Probleme machen"
"Ich liebe Texte, die mir Probleme machen." Das sagte
Regisseur und Schriftsteller Peter Wagner aus tiefster Überzeugung.
Die eigentliche Herausforderung besteht für ihn im Aufspüren
der Bruchstellen. Daher ist es auch nur logisch, dass er ausschließlich
Uraufführungen inszeniert.
"Gegen kulturelle Bleischwere in Kärnten"
Tina Modotti wurde 1896 in Udine geboren, sie verbrachte einen Teil
ihrer Kindheit in Klagenfurt. Es war eine Station auf der Flucht
vor der Armut. Das war ein wichtiger Ansatzpunkt für Autor
Wolfgang Maria Sigmund, der erst seit einigen Jahren in Kärnten
lebt. Klagenfurt sollte in seinem neuen Stück vorkommen.
"Ich hab' dann auch irgendein Thema gesucht, dass mit der Stadt
zu tun hat. Es sollte auch einen gewissen internationalen Flair
haben und es sollte auch etwas gegen die kulturelle Bleischwere
sein, die ich in den letzten Jahren hier erlebt hab'. Irgendwie
hat mich dieser Text auch aufrecht erhalten, dieses Libertäre,
dieses Offene. Und so seh' ich auch Kärnten: offen, libertär
und mit vielen Möglichkeiten."
Paraderollen für Hirschal und Baumgartner
Dazu gehört auch die Möglichkeit auszubrechen, wie es
Tina Modotti getan hat. Udine, Klagenfurt, San Francisco, Mexiko,
Sowjetunion. Eine Kommunistin, zeitweise Stalinistin, große
Fotografin und Femme fatale. Ihr steht im Stück der Kriegsreporter
Robert Capa gegenüber. Zynisch, abgebrüht und doch immer
noch verletzlich.
Es sind Paraderollen für Maddalena-Noemi Hirschal und Heinrich
Baumgartner. Weitere Aufführungen zeigt das Klagenfurt Ensemble
noch bis 23. April in der Halle 11 in Klagenfurt zu sehen.
orf.at_kärnten
„Tina Modotti“ im ke: Starke Bilder zu
Text mit Schwächen
Hammer & Sichel in St.
Ruprecht
Leuchtendes Rot, blendendes Weiß, Fotos, Schattenspiel:
Regisseur Peter Wagner und das klagenfurter ensemble waren Donnerstag
Geburtshelfer für „Tina Modotti“. Wolfgang M. Siegmungs
Stück über die legendäre Fotografin und Revoluzzerin
ist ohne obige Glücksfälle auch mit guten Akteuren bestenfalls
interessant.
Die Quadratur des Kreises, in dem die an sich schon
bewegten Leben zweier Ausnahmepersönlichkeiten vom Grazer Autor
künstlich verflochten werden, gelang nur bedingt. Die Freude
über einen bemüht informativen Text wird von stilistischen
Mängeln und Banalem getrübt. Hört man über „feuchte,
matschige Erde“ und „fein gestutzte Rasen“ und
ebensolche Schnurrbärte vielleicht noch hinweg, erzeugen aufgesetzte
Sager in memoriam Wolfgang Bauer (?) manchmal Schmunzeln (wie die
„kapitalistische Zuchtmaus“), meist aber mitleidige
Verwunderung über die „perverse Künstlersau“
oder „schwarzhaarige Glutnester, die man mit Samen löscht“
... Dafür flammt bei Modotti penetrant oft „Heimweh“
– natürlich nicht nach Fürstenfeld, sondern „nach
St. Ruprecht“ – auf. Vor ihrer Auswanderung in die USA
und in der Folge nach Mexiko verbrachte das 1896 geborene Udineser
Auswandererkind nämlich einige Jahre im Süden von Klagenfurt.
Berührend ist manch historische Epoche aus dem Leben der glühenden
Kommunistin, Bühnen- und Fotokünstlerin mit Sexappeal
zwischen Mexiko und Moskau und die zur Liebesgeschichte ausgebauten
Begegnungen mit ihrem Kollegen Robert Capa. Heinrich Baumgartner
glänzt in der Rolle des berühmten Kriegsfotografen, aber
auch in kurzen Einblendungen als Vater Modotti und als Politmörder
Carlos. Maddalena-Noemi Hirschal fasziniert in der Titelrolle mit
graziler Schönheit. Die Italienerin nimmt man ihr schon wegen
fehlender typischer Körpersprache nicht ab. Raffiniert die
verbale und optische Verflechtung des Names Capa mit dem roten Torero-Tuch,
entbehrlich der opernhafte Schluss. Freundlicher Applaus.
A. Hein, Kronenzeitung







Inszenierungen Bühne Peter Wagner
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