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DAS
COSIMA PANORAMA
Text und Interviews: Katharina Tiwald
Text- und Interviewmontage, szenische Einrichtung, Bühne und
Regie: Peter Wagner
Uraufführung
Besetzung:
Cosima: Katharina Tiwald
C1 / Tanz: Vera Neubauer
C2 / Gesang: Eveline Rabold
R / Schattenriss Wagners: Siegfried Steiner
Trommler: Fenenc Chincsi
Interviewpartnerinnen: Fria Elfen, Miriam Herlicska,
Paula Molin-Pradel, Beatrix Rehm, Petra Schmögner, Elisabeth
Schwarzl, Helene Tiwald
Musikalischer Support: Rainer Paul
Lichtdesign: Alfred Masal
Technik, Ton und Video: Mario Horvath, Georg Müllner
Bauten: Herbert Polzhofer
Transkription der Interviews mit Mitwirkenden: Maria Racz
Büro und Presse: Lisa Baumann, Wolfgang Spitzmüller
Gleichzeitige Ausstellungseröffnung "Verzopfungen"
- Fotos: Eveline Rabold; Fotoinszenierung: Peter Wagner; Interviews:
Katharina Tiwald
Premiere: 31. Dezember 2011 - Offenes Haus
Oberwart
Do, 5. Jänner 2012, 20:00
Fr, 6. Jänner 2012, 20:00
Sa, 7. Jänner 2012, 20:00
Fr, 13. Jänner 2012, 20:00
Sa, 14. Jänner 2012, 20:00
So, 15. Jänner 2012, 11:00 Matinee
AUSSCHNITT
1 "Das Cosima Panorama" auf YouTube
AUSSCHNITT
2 "Das Cosima Panorama" auf YouTube
AUSSCHNITT
3 "Das Cosima Panorama" auf YouTube
Besprechung
Eva Hillinger auf ORF-Radio Burgenland
Fotos: Christian Ringbauer


Ehrlichkeit, die betroffen macht
Im Kulturzentrum OHO in Oberwart fand in der Silvesternacht die
Theaterpremiere des Stückes "Das Cosima Panorama"
statt. Es handelt von der Selbstaufgabe der Frau in der Ehe.
Das Genie braucht eine verständnisvolle Schulter zum Anlehnen",
war einer der Schlüsselsätze bei der Uraufführung
des Theaterstückes "Das Cosima Panorama" der burgenländischen
Autorin Katharina Tiwald im Offenen Haus Oberwart (OHO). Tiwald
schlüpfte selbst in die Rolle von Cosima Wagner, die ihre eigenen
Bedürfnisse in der Ehe mit dem Jahrhundertkomponisten Richard
Wagner gänzlich zurückgestellt hatte. Die Liszt-Tochter
aus einem "Gspusi" mit einer französischen Adeligen
betrieb die totale Selbstverleugnung, die in der Todessehnsucht
gipfelte, um möglichst alle Alltagsbanalitäten aus dem
Gesichtsfeld des begnadeten Tonkünstlers an ihrer Seite fernzuhalten.
Da wurde auf dem Altar der hohen Kunst das eigene Lebensglück
geopfert. "Halbe-halbe" steht in dieser ungleichen Geschlechterbeziehung
nicht am Programm.
Die Halbfranzösin spricht sogar mit ihrer deutsch nationalen
Zunge, wenn sie "die Franzosen als Fäulnis der Renaissance"
abqualifiziert. Richard Wagner, Cosimas Zweit-Mann, ist ihr erklärter
Halbgott, dem auch die mütterliche Liebe zu ihrer gemeinsamen
Tochter Isolde hintangestellt wird. Der bittere Preis dafür
ist malträtierende Seelenpein.
Gegenwart
Regisseur Peter Wagner dockt mit seiner Inszenierung in der Gegenwart
an, indem er per Videoeinspielung sieben burgenländische Frauen
von existenziellen Bruchstellen in ihren Lebensläufen erzählen
lässt. Das tun sie mit ungeschminkter Ehrlichkeit und schaffen
so bei den Zuschauern viele dichte Momente des Betroffenseins.
Großartig war Katharina Tiwald als masochistische Cosima Wagner,
die die Tür zu ihrem Innersten aufstößt und so das
facettenreiche Bild einer pflichtbewussten Frau zeigt, die sich
bedingungslos für das große Ganze aufopfert. Vom Premierenpublikum
gab es dafür lang anhaltenden Applaus.
Kleine Zeitung, 3.1.2012
Silvester-Premiere
Spätestens seit dem Attentat ist das OHO auch das Haus der
Roma. Stefan Horvath, der durch den Mord einen Sohn verlor und seither
schreibt und schreibt, wurde hier aufgeführt. Er ist nicht
der einzige Dichter aus der Region. Clemens Berger schrieb Stücke
fürs Haus. Und am Silvestertag hat - wieder einmal - Katherina
Tiwald Premiere. Mit einem durchaus OHO-typischen Stück. Regisseur
Wagner: "Das ganze Jahr über präsentierte sich das
Burgenland als Heimat von Franz Liszt. Wir sagen: He, da war doch
noch was." Das Cosima-Projekt nämlich. So heißt
das Stück, das sich um die Liszt-Tochter Cosima Wagner dreht.
Der Standard, 32.12./2011/1.1.2012

INTERVIEW MIT KATHARINA TIWALD ÜBER "DAS COSIMA
PANORAMA"
Maria Racz: Cosima Wagner - die personifizierte Selbstaufgabe.
Welche (neuen) Blickwinkel hat die Recherche für Cosima Panorama,
das Vertiefen in das Leben dieser Frau, dir eröffnet?
Katharina Tiwald: Mir war vor der Lektüre der Tagebücher
nicht klar, wie stark - um auch ein starkes Wort zu verwenden -
masochistisch diese Frau war. Da gibt es Passagen, in denen sie
beschreibt, wie gut es war, die ganze Nacht durchzuweinen und zu
büßen und zu leiden - wegen einer Bemerkung, die "R.",
wie sie ihren Ehemann nennt, machte. Sehnsucht nach dem Grab, etc.
Todessehnsucht als Gipfel der Selbstaufgabe; und ein unbedingter
Opferwille, die eigene Person betreffend.
Und ich bin erschauert bei der Erkenntnis - oder sagen wir: bei
der informierten Annahme - dass eine direkte Linie zu legen ist
zwischen der Intensität der Selbstaufgabe und dem Entstehen
eines persönlichen Faschismus: die Halbfranzösin wird
zur Deutschnationalen! Willig zitiert sie Wagner, der sagt, die
Franzosen seien die Fäulnis der Renaissance. ... Andere nahe
Menschen fallen bei der unbedingten Hingabe an das Lebensthema Wagner
unter den Tisch: der Vater, Franz Liszt, der in Bayreuth stirbt,
während die Festspiele weitergehen, und die Tochter Isolde,
die verstoßen wird.
Es erstaunt mich bei fast jeder Recherche, wie viele Momente auftauchen,
die sich unmittelbar für die dramatische Darstellung eignen.
Jedes Leben eignet sich, übrigens. Eigentlich sollte ich nicht
so viel staunen; aber es ist schön, und es hält, sagen
wir: menschlich fit. ...
Maria Racz: Für die Darstellung der Gegenwart bedienst
du dich der Methode „Oral History“. Wieso hast du diesen
Weg des sprechen Lassens gewählt?
Katharina Tiwald: Im Prinzip sind wir alle Verhaftete: wir sind
dem Leben und seinen Bedingungen verhaftet. Theater ist eine Spielart
von Diskurs (also: "miteinander reden", vereinfacht gesagt),
die es ermöglicht, das auch zuzugeben. - Am spannendsten sind
"Figuren" dort, wo ein tiefer Blick in ihr Inneres zutage
tritt; es ist mir auch nicht möglich, eine Figur ohne ihr Inneres
zu denken, ich finde Satire ein anstrengendes, zutiefst forderndes
Geschäft, weil sie sich selbst die Möglichkeit des Mitleids
nimmt. Des Mitgefühls. Satire setzt auf Schablonen, auf das
traurig-Bekannte; auf das schaurige Allgemeine. Das ist auch wichtig;
aber ich bin zu mitfühlend für Satire. Ich kann eine "Papierfigur"
nicht denken ohne Mitgefühl. Die Vorstellung von einem kleinen
Mädchen namens Cosima, das sich nach der Mutter sehnt, stattdessen
aber mit Gouvernanten leben muss, die selbst die Briefe des Mädchens
an die Eltern zensieren - das tut mir weh; und die erwachsene Cosima
ist ohne das Kind Cosima - mit allem, was auf sie eingeprasselt
ist - nicht zu denken.
Verhaftet: auch wir sind unserer Vergangenheit ausgesetzt (und ich
beginne nicht zu reden von individueller Verantwortung für
das eigene Leben etc.) - Mustern ausgesetzt, die zu leugnen sinnlos
ist, gerade heute, in unserer Krisenzeit, suchen Menschen wieder
verstärkt nach Mustern.
Muster damals, Muster heute: ich wollte in die Tiefe dieser Frau
tauchen; in den Schmerz dieser Frau. Die "oral history"
zeigt, dass Cosima heutig ist. Anders: Schicksale sind nicht tot,
weil ihre Trägerinnen tot sind, in diesem Fall die gewesene
grande dame von Bayreuth. Wir alle sind Echo. Und Ruferinnen. Vielleicht
kann man das so sagen: ich wollte Echo und Ruferinnen zusammenbringen.
Das Individuelle und das allgemein Gültige von Frauen, die
mit Männern, Kindern, Kunst zu tun haben...
Maria Racz: Die Darstellung der Lebensgeschichten der sieben
Frauen in Verbindung mit der Lebensgeschichte Cosimas zeigt ein
enges Ineinandergreifen von Heute und Gestern – inwiefern
spielt diese Verknüpfung in unserem heutigen alltäglichen
Denken und Handeln eine Rolle?
Katharina Tiwald: Die Verknüpfung ist da, wobei ich vom Wort
"Lebensgeschichte" Abstand halten möchte: ich habe
die Frauen punktuell befragt, dort, wo ich wusste, dass es in ihrer
Biographie Schnittpunkte mit der Biographie Cosimas gibt. Etwa den
Künstlerehemann. Das eigene künstlerische Schaffen neben
einem Künstlerehemann. Die lange Witwenschaft, das Weiterführen
eines gemeinsamen Unternehmens. Die Eltern aus zwei verschiedenen
Kulturkreisen. Solche Dinge.
Ich nehme an, dass es eine Erkenntnis ist, die jeder Mensch sich
erst gewinnen muss: zu sehen, dass man "woher kommt";
dass man nicht in ein Nichts steigt; dass Errungenschaften wirklich
Errungenschaften sind - und da ist alles, was sich auf dem Feld
der Frauenrechte bewegt hat (besser: bewegt wurde), nur ein Teil
dessen, was ich meine. Aber ich fürchte, wir nehmen alles zu
selbstverständlich. Und tappen dann halt in die nächste
Krise. Ich habe in meinen verschiedenen Arbeitsfeldern mit vielen
unterschiedlichen Menschen zu tun: ich versuche, jedem und jeder
mit Respekt zu begegnen. Den größten Respekt und auch
die größte Zuneigung habe ich gegenüber Leuten,
die gern denken - egal, auf welchem Level. Aber ich sehe auch Denkverweigerung,
eine Art geistiges Fluchtverhalten, lautstarkes, banales. Schnelles
Gewinnenwollen; Davonrennen vor allem, was irgendwie wehtut oder
wehtun könnte. Der Blick zurück ist auch was, das manchmal
wehtut. Aber das Wehtun ist nun einmal auch Teil des Denkens - mitsamt
der großen Lust und Freude daran.





INTERVIEW MIT PETER WAGNER ÜBER "DAS COSIMA PANORAMA"
Maria Racz: Der erste Teil von „Das Cosima
Panorama“ besteht aus einem Monolog Cosimas. Wie wird daraus
ein szenisches Stück?
Peter Wagner: Prinzipiell ist alles, was in der Beziehung zwischen
Darsteller und Publikum passiert, so etwas wie ein Stück, ein
Stück Kommunikation und – was für das Theater entscheidend
ist - Kommunion. Für mich als Regisseur, der sich selbst ja
auch als Autor im Hintergrund hat, ist es darüber hinaus wichtig,
das auf die Bühne zu bringen bzw. zu verstärken, was für
mich das dramatische Erlebnis in seiner orginären Voraussetzung
ausmacht: den Konflikt, sei er komisch oder tragisch oder komisch
und tragisch zugleich angelegt. Im Fall des Theatertextex von Katharina
Tiwald wäre es durchaus denkbar, dass sich eine Darstellerin
auf die Bühne setzt und ihn mit dem Publikum verhandelt, wie
er ist. Mir selbst wäre das zu wenig, oder sagen wir: ich habe
von vorne herein große Lust, einen Text auch noch auf anderen
Ebenen der Darstellung und Ausformung zu durchleuchten, denn tatsächlich
besteht ja Theater auch aus Techniken, die allesamt das Zeug dazu
haben, uns in die suggestiven Ebenen einer Person, einer Szene,
einer dramatischen Handlung zu entführen: Licht, Ton / Musik,
visuelle Medien – und das Zusammenspiel mit anderen Genres
der Bühnenkunst. Katharina selbst hat ja schon durch die zweite
Ebene, die sie dem Stück konzeptionell verordnet, nämlich
Interviews im Sinne der „oral history“, angedeutet,
dass das Stück eine bzw. mehrere weitere Spielebenen besitzt
bzw. besitzen soll, und es ist ja auch schon aus dem Titel erkennbar,
dass die Thematik des Stücks (nicht des von ihr verfassten,
fiktionalen Textes!) sich nicht nur auf eine Person, in diesem Fall
auf die Liszt-Tochter Cosima beziehen soll, sondern auf einen ganzen
Fächer, der durch die Interviews mit Frauen der Gegenwart sich
entfalten soll. Schon in der Begegnung zwischen zwei einander völlig
fremden Vermittlungsebenen, nämlich hier der fiktionale Text,
dort die aufgezeichnete Sprache und das Konterfei real existierender
Personen, birgt das für das Theater Unabdingbare, nämlich
den Konflikt. Aber nicht nur das: so habe ich – auch weil
ich das Vertrauen von Katharina nach bereits zwei andereren Inszenierungen
ihrer Texte besitze - vier weitere Figuren in die Dramaturgie des
Stückes eingefügt, die allerdings ganz eng mit der Hauptfigur
verknüpft sind. Streng genommen sind es Versatzstücke
von Cosima, Dämonen ihres eigenen Innenlebens. Ich werde, ganz
im Sinne der Traumtheorien Freuds, das Konzept so anlegen, dass
sich über das Zusammenspiel der Figuren, die sich im tänzerischen
und musikalischen Bereich bewegen, das traumatische Seelengefüge
der Cosima Wagner als ein umfassend gedachtes psychisches Erlebnis
erzählt.
Maria Racz: Für das Klagenfurter Ensemble hast du heuer
ein Stück über Tina Modotti inszeniert. Diese stellt einen
krassen Gegensatz zu Cosima dar – sie lebte ihre künstlerische
Ader aus, war eine Linke, wie es im Untertitel heißt „eine
Frau mit Rouge auf den Fäusten“. Wie siehst du nun Cosima,
wie sieht sie neben Tina Modotti aus?
Peter Wagner: Ja, es ist in der Tat eine interessante Begegnung,
die ich im Laufe eines Jahres mit zwei Frauengestalten des vorletzten
und letzten Jahrhunderts über den stets erkenntnisreichen Umweg
des Theaters hatte. Einerseits könnten die beiden Frauen unterschiedlicher
gar nicht sein, andererseits finden sich aber auch einige Parallelen.
Wobei mich eigentlich mehr die Parallelen interessieren, obwohl
die eine eine ausgemachte Antisemitin und schließlich auch
Faschistin war, die den Nazis den kulturpolitischen Teppich über
das Weihefestspiel Bayreuth auslegte, die andere eine glühende
linke Revolutionärin, die sich nach ihrer Karriere als Hollywood-Starlet
und Fotokünstlerin dem Stalinismus verschrieb und somit ebenfalls
in einem totalitären Symstem landete, von dem sie dann ja vermutlich
auch exekutiert wurde, zumindest mentalitär. Für mich
sind bei beiden Frauen wenigstens zwei markante Analogien vorhanden,
die, wie ich meine, tief in Kraft und Schicksal weiblicher Biographien
der vergangenen 150 Jahre greifen: einerseits die große künstlerische
Begabung, der eminente Drall zur Kunst, den die eine unterdrückt,
die andere zunächst zwar auslebt, um ihn dann aber ebenfalls
zu unterdrücken und nicht einer Person – wie Cosima -,
sondern einer Idee, dem Kommunismus, zu opfern. Beide haben sich
also zu Handlangern ihrer weltanschaulichen, durchaus von Männern
entworfenen Konzepte gemacht und dabei ihr tiefstes Eigenes der
Verkümmerung preisgegeben. Hier wäre ein Spagat zu ziehen
zwischen der Größe solch eines Opfers und dem Fanatismus
ihres Kampfes um eine aus ihrer je eigenen Sicht idealen Welt. Die
zweite markante Analogie, die ich sehe, ist zweifelsohne der Preis,
den beide für ihr Selbstopfer zahlten: eine fast greifbare
Einsamkeit, über die bei Cosima zwar die große Inszenierung
Bayreuth und die Inszenierung der Wagner-Familie hinwegtäuschen
könnten, bei Tina Modotti ihre scheinbare Eingebundenheit in
internationalistische, revolutionär-familiäre Strukturen.
Und doch kann man ihre Einsamkeit fast mit Händen greifen,
eine Einsamkeit, die darin besteht, dass exzeptionelle Charaktere,
die sie waren, die Selbstverleugnung, den sich auf sich selbst beschränkenden
mütterlichen bzw. analog dazu revolutionären Dienst, den
dienenden Duktus mit dem Grundgefühl des Verrats bezahlen,
mag es sich offen äußern oder sublimiert in teils absurd
heroischen Begängnissen. Ich spüre jedenfalls, wie sich
da zwei Frauen gerade durch ihre Selbstverleugnung in eine Art seelische
Isolation oder auch Melancholie manövrieren. Besonders tragisch
wird das natürlich dann, wenn – wie bei Cosima - dieses
Vereinsamen auch noch im Sinne des Dienstes am Genie eines anderen
vor sich selbst gerechtfertigt wird.







Inszenierungen Bühne Peter Wagner
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