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Die Roma-Schauer
Das Märchen der Musik op. 16
Film von Peter Wagner
Peter Wagner´s EROS KADAVER FILM 2004, Doku 75 Minuten

Was sich zunächst als harmlose Reise einer etwa 20köpfigen
Gruppe zu einem als folkloristisch angekündigten Roma-Festival
in der zentralbulgarischen Stadt Sliven anleiert, wird zu einer Grenzerfahrung
gesellschaftlicher Realität und eigener Betroffenheit. Roma-Interessierte,
Neugierige, Geldspender, Richter, Lehrer, Journalisten sowie eine österreichische
Romni aus Oberwart setzen sich in einen Linienbus und fahren von
Wien über Ungarn und Serbien (Aufenthalt an jeder Grenze nicht
unter drei Stunden) nach Sofia. Dort wartet der Manager der Roma-Brass-Band „Karandila“ aus
Sliven. Man hat einen Bus und einen Reiseführer für die
Gäste organisiert, der sie quer durch das Land bringen soll.
Am 6. Mai begeht Bulgarien seinen höchsten kirchlichen Feiertag,
den Namenstag des Hl. Georg, traditionell auch für die Roma
der wichtigste Festtag des Jahres. Die Gruppe übernachtet in
Sliven und wird am frühen Nachmittag in die Roma-Enklave der
Stadt kutschiert. Man kam mit der Erwartung, ein buntes Roma-Festival
mit viel Musik, Tanz, Essen und ausgelassener Stimmung zu genießen
und einem aufgeklärten „Roma Schauen“ zu frönen.
Es kommt anders: das angekündigte Festival ist kein Festival
sondern eine vornehmlich für die Gäste auf dem Hauptplatz
der Enklave ausgerichtete Darbietung, die die vermeintlichen Roma-Schauer
selbst zu den Beschauten, zu den eigentlichen Exoten im 12.000 Seelen-Ghetto
macht. Die Siedlung wird teilweise von einer Mauer umgeben: damit
will man den Reisenden der angrenzenden Bahnlinie den Anblick der
Romasiedlung ersparen.
Die Mauern zwischen den vermeintlichen Roma-Schauern und den Roma
selbst bleibt auch während der nächsten Stunden erhalten,
selbst wenn der eine oder andere gemeinsame Tanz oder Kontakt auf
der Straße sie kurz zum Einsturz bringen kann. Die Mauer bleibt
weniger der die westlichen Gäste begaffenden Roma wegen sondern
weil der Großteil der Reisegruppe mit der ihnen dargebotenen
Realität nicht zurande kommt und die Scham angesichts des eigenen
Voyeurismus kaum unterdrücken kann.
Es bleiben Betroffenheit und Nachdenklichkeit, aber auch ein Sturm
der Bilder aus einer anderen Gegenwart, die in der Musik zu einem
genauso organisierten wie bedrohlichen Aufschrei findet. Die sich
offenbarende soziale Realität der Ghettobewohner treibt die
meisten Roma-Schauer allerdings an die Grenze der eigenen Verkraftbarkeit:
man ist in ein Stück Wirklichkeit eingedrungen, mit deren Unmittelbarkeit
niemand bei Antritt der Reise gerechnet hatte ...
Der Autor und Regisseur Peter Wagner war die gesamte Reise über
mit seiner Kamera dabei. Aus den insgesamt 12 Stunden aufgezeichneten
Materials entstand unter seiner Dramaturgie und Regie der halbdokumentarische,
mit lyrischen Einschüben aus der jüngeren Zigeunerliteratur
versehene Film „Die Roma-Schauer“.


Roma-Schauen ohne Romantik
... Im Vorjahr reiste er mit einer Gruppe der Volkshochschule der
burgenländischen Roma ins bulgarische Sliva, um in der dortigen
Romagemeinde ein großes Musikfest mitzuerleben. Wagner nahm
seine Kamera mit, immerhin hat sich sein kreativer Elan mittlerweile
aufs Filmemachen konzentriert. Was als Dokumentation der südosteuropäischen
Romakultur projektiert war, entpuppte sich freilich bald als Bericht über
die peinliche Situation, in die Mitteleuropäer - auch mitteleuropäische
Roma - geraten können, wenn sie sich aufmachen, die Exotik der
Roma zu bestaunen, um dann aber selbst zum Schauobjekt zu werden. "Die
Romaschauer" wurde so auch zu einer Geschichte des Betroffenheitsreflexes,
des Sozialarbeiterimpulses. ...
Wolfgang Weisgram, DER STANDAR


Filme Peter Wagner
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- Die Roma-Schauer
- Doku, 75 min (2004)
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(2006)
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Textes der Briefe
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- Die
Eiserne Grenze op. 24 - Spielfilm, 90 min (2008)
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- Und man vergisst eigentlich
auf die Kinder in dem System - Das große Theater Schule
- Ein Film-Essay (2011)
- Hunde der Einsamkeit - Dein Schatten der Abfall - Die Eros Kadaver Show - FilmMusikPoem im Live-Format (2015)
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